„Bildung. Weiter denken!“– für mehr Chancengleichheit in der Migrationsgesellschaft

Kommentar von der GEW-Vorsitzenden Maike Finnern
Die Coronakrise hat wie durch ein Brennglas gezeigt, dass das deutsche Bildungssystem unterfinanziert und reformbedürftig ist. Die ohnehin sehr ungleiche Verteilung von Bildungs- und Teilhabechancen hat sich durch die Krise nochmal verstärkt. Junge Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte sind von Diskriminierungen besonders betroffen. Im Bundestagswahlkampf 2021 rückt die GEW daher die Themen Fachkräftemangel, Investitionsstau, digitale Ausstattung, Ganztag, politische Bildung und gute Arbeit in den Fokus – und fordert nachhaltige Investitionen in allen Bildungsbereichen.
Mehr Fachkräfte und Zeit für multiprofessionelle Zusammenarbeit
Die GEW fordert gute Bildung für alle – unabhängig von Herkunft oder Status. Dazu sind grundsätzlich mehr Fachkräfte und bessere Rahmenbedingungen notwendig – von der frühkindlichen Bildung, über die Grundschulen, die weiterführenden und berufsbildenden Schulen bis zu den Hochschulen und Einrichtungen der Weiterbildung. Fachkräfte benötigen aber auch mehr Zeit, um Bildungsprozesse – sowohl vor Ort als auch digital – begleiten und auf die wachsende Heterogenität der Lernenden adäquat eingehen zu können.
Kinder und Jugendliche sollten ein Recht darauf haben, dass sie ihre nicht-deutschen Familiensprachen einbringen können – auch für Zeugnisse oder Abschlüsse. Hierzu braucht es mehr multiprofessionelle Teams und bessere Betreuungsrelationen. Dabei sind herkunftssprachliche und sprachsensible Bildungsangebote ebenso wichtig wie sozialpädagogische und psychologische Unterstützung sowie Zeit und Raum für Qualifizierungen.
In digitale Infrastruktur und Ganztag investieren
Die Coronakrise hat gezeigt: In Sachen Digitalisierung gibt es Nachholbedarf. Der Digitalpakt muss aufgestockt und verstetigt werden – etwa für Endgeräte für alle Lernenden und Lehrenden. Dass Kinder und Jugendliche nicht am Distanzunterricht teilnehmen können, weil sie zu Hause keinen Internetzugang haben oder sich mit Geschwistern ein Gerät teilen müssen, ist ein Skandal für die Bildungsrepublik Deutschland.
Bildungschancen dürfen weder vom Geldbeutel, noch vom Wohnort oder aufenthaltsrechtlichen Status abhängen. Daher muss der gleichberechtigte Zugang zum allgemeinen Bildungssystem für alle garantiert sein und Ressourcen müssen bedarfsgerecht verteilt werden. Dabei gilt: Ungleiches muss ungleich behandelt werden. Ein Ausbau von qualitativ hochwertigen Ganztagsangeboten sowie eine bessere Ausstattung der Schulen nach Sozialindex sind hierfür zentral.
Recht auf (Berufs-)Bildung!
Eine besondere Bedeutung hat das Recht auf Bildung für geflüchtete und asylsuchende Menschen. Kinder und Jugendliche müssen nach spätestens drei Monaten Zugang zu Regelschulen erhalten – unabhängig von ihrem Status. Junge Geflüchtete unterliegen aufgrund ihres Alters aber oft nicht mehr oder nur kurz der Schulpflicht. Der weitere Schulbesuch hängt dann oft von dem Engagement der Schulleitungen ab. Daher sollte das Recht auf Besuch einer Schule bis zum Alter von 27 Jahren ausgeweitet werden.
Junge Geflüchtete, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist oder die nur eine Duldung besitzen, brauchen eine verlässliche Planungsperspektive, genauso Schulen und Ausbildungsbetriebe. Darum sollten alle Asylsuchenden einen gesicherten Aufenthaltsstatus bis zum Abschluss einer Berufsausbildung und anschließender mindestens dreijähriger Berufsausübung erhalten.
Die Coronakrise hat uns hart getroffen, aber junge Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte ganz besonders. Wer echte Chancengleichheit in der Bildung will, muss nachhaltig investieren – in alle Bildungsbereiche.
Entnommen aus Forum Migration August 2021