
Die Spaltung verstärkt: Kommentar von Ayman Qasarwa, Geschäftsführer Dachverband der Migrantenorganisationen in Ostdeutschland
Kommentar von Ayman Qasarwa, Geschäftsführer Dachverband der Migrantenorganisationen in Ostdeutschland
Deutschland ist ein Einwanderungsland und ein Land der Vielfalt. Aktuell weist jede_r fünfter Einwohne-r_in Deutschlands einen Migrationshintergrund auf, auch im Osten nimmt die Zahl der Migrant_innen zu. Aus diesem Grund brauchen wir eine Politik, die die vielfältige Gesellschaft anerkennt und gestaltet. Wir brauchen keine Politik, die die Gesellschaft spaltet. In der deutschen Demokratie herrschen Freiheit und Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Allen voran gehört dazu die Würde des einzelnen Menschen.
Es ist eine Realität geworden, dass es in Ostdeutschland eine Verschiebung der politischen Machtverhältnisse gibt. Eine rechtsgerichtete Partei hat massiv an Stimmen gewonnen, dies wurde in den letzten Wahlen in den neuen Bundesländern bestätigt. Wir sind in tiefster Sorge über die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Dort hat die AfD mit 27,5 bzw. 23,5 Prozent historisch hohe Zweitstimmenergebnisse erzielt. Wir erinnern an dieser Stelle an die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt 2016, in denen die AfD mit 24,3 Prozent der Stimmen in den Landtag einzog und in Mecklenburg Vorpommern, wo sie 2016 ebenfalls 20,8 Prozent der Stimmen erhielt. Im Oktober folgen die Wahlen in Thüringen, wo ein ähnliches Ergebnis ansteht.
Wir befürchten eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen von Menschen mit internationaler Biografie in den neuen Bundesländern. Die Wahlergebnisse zeigen, dass sich die gesellschaftliche Spaltung in Deutschland verstärkt hat.
Dass in den neuen Bundesländern zum Teil über ein Viertel der Wähler_innen bei der AfD mit ihrer antipluralistischen und menschenfeindlichen Rhetorik ihr Kreuz machen, ist nicht mit „Protest gegen etablierte Parteien“ zu erklären. Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und die Ablehnung zentraler demokratischer Grundwerte sind in einigen Regionen fest etabliert.
Wir appellieren an die über 70 Prozent der Menschen, die ihr Kreuz nicht bei der AfD gemacht haben: Lasst uns weiterhin lautstark und sichtbar für eine starke, bunte und demokratische Gesellschaft eintreten. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass sich alle Menschen in allen Regionen Deutschlands sicher und wohlfühlen. 70 Prozent ist eine große Mehrheit der (Ost-)Deutschen, die für zentrale demokratische Grundwerte einstehen. Auch Politiker_innen müssen klar und deutlich Stellung gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und jede Form von Menschenfeindlichkeit beziehen und dies muss sich in ihrer Politik niederschlagen.
Wir wünschen uns jetzt, dass die Politiker_innen die Teilhabe von Menschen mit internationaler Biografie an der Gestaltung der Gesellschaft fördern und stärken. Diversität ist eine Stärke und sollte entsprechend unterstützt werden – und zwar ganz konkret: Es ist ein gutes Zeichen für die Demokratie, wenn alle Menschen, die in der Bundesrepublik leben, unabhängig von dem Aufenthaltsstatus, an Wahlen teilnehmen können.
Die Bundespolitik muss endlich die besonderen Verhältnisse in den neuen Bundesländern anerkennen und gezielt darauf reagieren. Es reicht nicht, kurz vor Wahlen in die ländlichen Räume Brandenburgs oder Sachsens zu schauen.
Wir wünschen uns auch, dass die Medien, die Diskussion über die Wahlen auch mit den Menschen mit internationaler Biografie in Ostdeutschland führen. Wir wünschen uns weiterhin einen konkreten Aktionsplan für die Bekämpfung von jeglicher Art von Rassismus, Diskriminierung und die Ablehnung zentraler demokratischer Grundwerte in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Politiker_innen müssen erkennen, dass die unabhängigen Beratungsstellen für Opfer von rassistischer Diskriminierung unbedingt notwendig sind. Sie müssen mit Fachleuten besetzt werden, die rechtlichen Rat und psychologische Unterstützung geben können und zeigen wie die Betroffenen gegen Täter vorgehen können.
Für die Landtagswahlen in Thüringen möchten wir alle Wahlberechtigten mit und ohne Migrationshintergrund dazu aufrufen, zur Wahl zu gehen und ein Zeichen für Demokratie, Menschenrechte und für eine offene und solidarische, gleichberechtigte Gesellschaft zu setzen. Stimmen Sie nur für Parteien, die sich gegen Rassismus, Hass, Diskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit stellen. Er-
teilen Sie den rassistischen und nationalistischen Parteien eine Absage. Erheben Sie Ihre Stimme gegen die Spaltung der Gesellschaft, für ein offenes Land mit freien Menschen.