
Keinem Anspruch gerecht geworden - Kommentar von Elke Breitenbach (Linke)
Kommentar zum Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz von Elke Breitenbach (Linke), Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales in Berlin
Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz klingt zunächst viel versprechend und in Zeiten des Fachkräftemangels auch sinnvoll. Schaut man aber genauer darauf, was da im Dezember 2018 von der Großen Koalition beschlossen wurde, wird schnell klar, worauf das Gesetz abzielt: In der insgesamt durch Abschottung gekennzeichneten Asylpolitik des Bundes öffnen sich nur kleine Türen. Und die sollen gerade Hoch qualifizierten Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt gewähren.Das Gesetz schafft mit neoliberalen Punktesystemen in Wirklichkeit ein Auslesesystem.
Damit handelt es sich weder um ein echtes Einwanderungsgesetz, noch um den angekündigten „Spurwechsel“. Wir haben es hier mit einer befristeten Beschäftigungsduldung zu tun, die dann noch an teils deutlich höhere Anforderungen gekoppelt ist. Durch verschärfte Arbeitsverbote vor allem bei der Duldung soll der Trennungsgrundsatz zwischen Asyl und Erwerbsmigration sogar vertieft werden. Wenn auch ein Wechsel zwischen Aus- und Weiterbildung und der Erwerbstätigkeit erleichtert werden soll, bleibt er in bestimmten Konstellationen weiterhin versagt. So ist es auch mit der Situation von Geduldeten und deren Möglichkeit, in Deutschland zu bleiben. Einerseits Verbesserungen, andererseits Verschlechterungen.
So werden die Anforderungen an die Ausbildungsduldung erhöht und Beschäftigungsverbote ausgeweitet. Viel zu hohe Anforderungen stellt die neu eingeführte „Beschäftigungsduldung“, so dass an deren Anwendbarkeit gezweifelt werden darf. Nur halbherzig sind auch die Vorschläge zu Verfahrenserleichterungen. Hier sind ebenfalls Nachbesserungen nötig. Das gilt auch für nichtakademische Berufe. Hier gibt es zwar Öffnungen, die aber nicht ausreichend sind.
Zwar enthält der Entwurf Versuche der Bündelung und Neustrukturierung einiger Bereiche, ein übersichtlicher und verständlicher Regelungskatalog bleibt aber Makulatur. Der vorliegende Referentenentwurf ist insgesamt intransparent und unüberschaubar. Nicht einmal dem selbst gesetzten Anspruch, die Einwanderung von Fachkräften wesentlich zu erleichtern, wird das Gesetz in seiner gegenwärtigen Form gerecht. Es bleibt Flickwerk, wo ein großer Wurf nötig wäre.
Die Bundesregierung möchte erklärtermaßen den Fachkräftemangel durch mehr Zuwanderung steigern. Sie versäumt es aber, irgendeine der erfolgten Deregulierungen auf dem Arbeitsmarkt zurückzunehmen. Millionen Beschäftigte, ob nun zugewandert oder hier geboren, werden also weiter in einem durch politische Vorgaben geschaffenen Niedriglohnsektor tätig sein müssen, ihnen werden faire Löhne, soziale Sicherheit und gesunde Arbeitsbedingungen vorenthalten. Es ist schlichtweg nicht hinzunehmen, dass Unternehmen über Fachkräftemangel klagen und sich gleichzeitig der Regulierung von Löhnen und Arbeitsbedingungen etwa durch tarifliche Entwicklungen (strengeren Gesetzen ja sowieso immer) verweigern. Es wird Zeit, mit den Lebenslügen aufzuräumen, die eine progressive Entwicklung blockieren. Deutschland ist faktisch längst ein Einwanderungsland, und das Grundgesetz definiert das Land seit 70 Jahren als Sozialstaat.
Die richtige Schlussfolgerung daraus kann nur lauten, dass wir uns endlich als soziale Einwanderungsgesellschaft begreifen und uns die entsprechenden Regeln geben. Wer nicht will, dass diejenigen, die hier leben, gegen die ausgespielt werden, die einwandern, muss sich zu einem Dreiklang aus Migration, Gerechtigkeit für den Arbeitsmarkt und sozialer Sicherheit mit universalem Anspruch bekennen. Keinem dieser Ansprüche wird das Gesetz gerecht.
Aus Forum Migration Februar 2019