
Rumänische Saisonarbeitnehmende haben ein Recht auf faire Arbeitsbedingungen

Kommentar von Dumitru Costin, Präsident des Blocul National Sindical (Nationaler Gewerkschaftsblock Rumänien, BNS)
Saisonarbeit ist nicht neu, aber die Covid-19-Pandemie hat überall in Europa die Situation von Saisonbeschäftigten in der Landwirtschaft in den Fokus gerückt. Neben Grenzschließungen, die sowohl die Ausreise aus den Entsendeländern als auch die Ankunft in den Aufnahmeländern behinderten, erhielten unsichere Reise-, Unterkunfts- und Arbeitsbedingungen eine breite Aufmerksamkeit von Medien, sozialen Akteuren und Behörden.
Seitdem BNS (Blocul National Sindical, Nationaler Gewerkschaftsblock Rumänien) mit einem eigenen Informations- und Beratungszentrum für im Ausland arbeitende Rumänen Partner der Beratungsstrukturen „Faire Mobilität“ des DGB geworden ist, haben wir uns mit Situationen befasst, die nicht nur durch Covid-19 verursacht wurden, sondern mit der Anwerbung und der Rolle von Vermittlern, ausbeuterischer Beschäftigung und unangemessenen Wohnverhältnissen, Gesundheits- und Sicherheitsproblemen zusammenhängen. Angesichts vieler Fälle, die spezifische Interventionen erforderten, hat BNS mehrere Partnerschaften mit nationalen öffentlichen Institutionen und Organisationen entwickelt. Wir haben politische Vorschlägen für die nationale Ebene gemacht und werden dies auch in Zukunft weiterhin tun.
Saisonarbeit aus Rumänien ist seit dem letztem Jahr viel sichtbarer geworden. Die rumänische Regierung hatte – auf Bitten der eigenen Bevölkerung und auf Druck aus Deutschland und Österreich, die Erntehelfer_innen und Pfleger_innen brauchten – Saisonarbeitende vom Reiseverbot ausgenommen. Diese Arbeiter_innen schickten ihren Familien im letzten Jahr 6,6 Milliarden Euro. Das ist fast ein Drittel mehr als die ausländischen Direktinvestitionen, die Rumänien erhält. Grenzüberschreitende Arbeitnehmende, wie entsandte Beschäftigte, Saisonarbeitende, Leiharbeitende oder andere mobile und Wanderarbeiter_innen, machen einen wesentlichen Teil der europäischen Arbeitskräfte aus. Sie sind aber nach wie vor die am wenigsten geschützten, am schlechtesten bezahlten und am meisten gefährdeten Beschäftigten.
Die überwiegende Mehrheit der rumänischen mobilen Arbeitnehmenden und Arbeitsmigrant_innen arbeitet in Schlüsselsektoren wie dem Baugewerbe, dem Transportwesen, dem Tourismus, der Landwirtschaft, der Lebensmittelindustrie, dem Gesundheits- und Sozialwesen sowie der Haus- und Pflegearbeit. Sie sind besonders von Diskriminierung, sozialer Ausgrenzung und mangelnden Beschäftigungsmöglichkeiten betroffen. Außerdem sind sie am ehesten Missbrauch, Gewalt und Schikanen ausgesetzt.
Ich freue mich deshalb sehr, dass sich BNS gemeinsam mit Faire Mobilität für den Zugang zu Information einsetzt. Denn Arbeitnehmende sollten über ihre Rechte am Arbeitsplatz informiert werden – in ihrer eigenen Sprache und vor der Reise, damit sie beispielsweise wissen, dass sie einen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten müssen. Auch sollten sie Informationen über geltende Arbeitsbedingungen, Tarifverträge sowie Rechte im Bereich der sozialen Sicherheit, Zugang zur Gesundheitsversorgung und kommunale Meldepflichten enthalten.
Um dem temporären Charakter mobiler Arbeit Rechnung zu tragen, sollte diese Verpflichtung auch für kürzere Einsätze gelten. Es ist von größter Bedeutung, dass die Arbeitnehmenden Informationen darüber erhalten, wie sie einer Gewerkschaft beitreten können, sowie zu Beratungsstellen, die von den Sozialpartnern (in Partnerschaft mit Organisationen der Zivilgesellschaft und/oder öffentlichen Arbeitsverwaltungen) angeboten werden. Das schließt Beschwerdemechanismen ein, um Missstände und Diskriminierung zu melden. Die Gewerkschaften müssen Zugang zu den Betriebsstätten und Unterkünften haben, um Informationen bereitzustellen und mit den Arbeitnehmenden zu sprechen – das fordert auch die einzuhaltende ILO-Konvention C135 zu „Workers‘ Representatives“.
Gemeinsam unterstützen und fördern BNS und der DGB durch das Beratungsnetzwerk von Faire Mobilität die faire Mobilität von Arbeitskräften und gehen gegen Missbrauch und Diskriminierung vor. Unsere gemeinsame Arbeit führt bereits zu guten Ergebnissen, gemeinsam ist unsere Stimme stärker. Gleichbehandlung ist eine Grundvoraussetzung und der Schlüssel, um Sozialdumping zu bekämpfen und menschenwürdige Arbeit für alle Arbeitnehmer zu gewährleisten. Die Grundsätze der Europäischen Säule sozialer Rechte und der sozialen Errungenschaften der EU müssen auch für den Schutz mobiler und wandernder Arbeitnehmender gelten.
Entnommen aus Forum Migration Mai 2021