Bildung als globales Menschenrecht verwirklichen!
Die Coronakrise ist auch eine Bildungskrise. Umso wichtiger ist es, dass weltweit Bildungsgewerkschaften gemeinsam für die Verwirklichung des Menschenrechts auf Bildung eintreten.
Wie in einem Brennglas hat die Coronakrise die chronische Unterfinanzierung von Bildung offenbart, auf die Gewerkschaften weltweit schon lange aufmerksam machen. Denn sie erschwert auch das Einhalten des Gesundheitsschutzes und von Hygienemaßnahmen. Die sichtbarsten Probleme sind marode Schulgebäude und Sanitäranlagen, fehlende Seife und Desinfektionsmittel, zu große Klassen und Lehrkräftemangel, fehlende oder unzureichende digitale Ausstattung.
Die internationalen Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, dass die Länder die Coronakrise im Bildungsbereich besser bewältigt haben, die auf einen Dialog mit den Gewerkschaften gesetzt haben. Über positive Erfahrungen wurde vor allem aus den skandinavischen Ländern berichtet.
Zugleich hat der internationale gewerkschaftliche Austausch geholfen, von den Erfahrungen der anderen zu lernen. Unser globaler Dachverband, die Bildungsinternationale vereint rund 400 Bildungsgewerkschaften aus mehr als 170 Ländern mit 33 Millionen Mitgliedern. Wir haben uns regelmäßig per Videokonferenzen ausgetauscht, um über unsere Einflussmöglichkeiten in dieser Krise zu beraten, und gemeinsam Ziele festgelegt. Dazu gehört die Gewährleistung des Gesundheitsschutzes für Schüler_innen und Lehrkräfte in den Bildungseinrichtungen.
Die Coronakrise verschärft die globale soziale Ungleichheit und Bildungsbenachteiligung. Stichwort Kinderarbeit: Die Staatengemeinschaft hat sich dazu verpflichtet, alle Formen der Kinderarbeit bis 2025 zu beenden. Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation müssen weltweit 152 Millionen Kinder arbeiten, davon 73 Millionen in ausbeuterischen Verhältnissen. Im Zuge der Coronapandemie steigt die Zahl arbeitender Kinder in vielen Ländern wieder drastisch. Stichwort Armut: Die Vereinten Nationen schätzen, dass zusätzlich 66 Millionen Kinder in extreme Armut geraten werden. Stichwort Bildungsgerechtigkeit: Die Gefahr, dass Kinder nach der Coronakrise nicht mehr in die Schule zurückkehren und den Anschluss an die Bildung verlieren, ist groß.
Das Engagement gegen Kinderarbeit bleibt für uns eine wichtige gewerkschaftliche Aufgabe. Praktisch engagiert sich die GEW mit ihrer Stiftung fair childhood in gewerkschaftlichen Projekten gegen Kinderarbeit. Die Erfahrungen zeigen, dass die Projekte erfolgreich sind, dass es ihnen gelingt, kinderarbeitsfreie Zonen zu schaffen und zugleich die Gewerkschaften vor Ort zu stärken.
Aus unseren Partnerregionen hören wir nun, dass Kinderarbeit und frühe Schwangerschaften wieder extrem zunehmen. Insbesondere Mädchen sind die Verliererinnen in dieser Krise. Politisch wäre ein wirkungsvolles Lieferkettengesetz in Deutschland und Europa ein wichtiges Instrument gegen Kinderarbeit.
Weltweit müssen die Anstrengungen verstärkt werden, um das 2015 von den Vereinten Nationen beschlossene Nachhaltigkeitsziel Bildung zu erreichen. Dieses beinhaltet das Versprechen, allen Menschen bis 2030 einen freien Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung zu ermöglichen.
Dieses Ziel kann nur mit stärkeren Investitionen in öffentliche Bildungssysteme weltweit erreicht werden. In einer aktuellen Analyse warnt die Weltbank bereits, dass zwei Drittel aller Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen ihre Bildungsbudgets aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise kürzen könnten. Dies wäre fatal, weil es die Schwächsten in der Gesellschaft treffen, die Bildungsungleichheit weiter verschärfen und die Bildungsprivatisierung vorantreiben würde.
Auch Deutschland muss sich an der Bildungsfinanzierung im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit stärker engagieren. Dafür setzen wir uns zusammen mit Nichtregierungsorganisationen in der Globalen Bildungskampagne ein. Das deutsche Budget konnte durch dieses Engagement erheblich gesteigert werden. Aber es ist noch viel Luft nach oben.
Bildung ist ein Menschenrecht, das es global zu verwirklichen gilt und für das wir auch weiterhin gemeinsam – in Bündnissen und mit Bildungsgewerkschaften weltweit – einstehen werden.
Autorin: Marlis Tepe ist Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Vize-Präsidentin der Bildungsinternationale.
März/2021