Kooperationen. Für gute Jobs auch bei Erneuerbaren
17.12.2021 I Die Internationale Arbeitsorganisation und die Internationale Organisation für erneuerbare Energien wollen künftig enger zusammenarbeiten. Beide verbindet das Ziel, den Ausbau von Erneuerbaren mit guten Arbeitsbedingungen zu verknüpfen.
Der Ausbau erneuerbarer Energien ist entscheidend, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen und die Erde vor dem Klimakollaps zu retten. Doch fast genauso wichtig ist, dass erneuerbare Energien ein regelrechter Jobmotor sind. Selbst im Corona-Jahr 2020 stieg die Zahl der Beschäftigten in der Branche um 500.000 auf 12 Millionen weltweit an. Und das, obwohl es Verzögerungen und Unterbrechungen in den globalen Lieferketten gegeben habe, wie Martha Newton erklärt, die die für Politik zuständige Vizedirektorin der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ist.
»Dass die Zahl der Arbeitsplätze im Erneuerbaren-Sektor trotz der Pandemie zugenommen hat, ist ein ermutigendes Signal«, sagt Newton. Doch Jobwachstum allein reiche nicht aus: Entscheidend sei, beim Ausbau der Erneuerbaren die Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen zu betrachten. »Wir müssen die Energiewende so angehen, dass ordentliche Arbeitsmöglichkeiten entstehen, die Menschenwürde, Sicherheit, Gleichheit und Freiheit garantieren.«
Genau darum geht es in der Kooperation, die die ILO im Oktober unmittelbar vor dem Klimagipfel von Glasgow mit IRENA eingegangen ist, der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien. »Gemeinsam können ILO und IRENA menschenwürdige Arbeit und soziale Gerechtigkeit bei der Energiewende auf umfassende Weise voranbringen«, kündigte ILO-Chef Guy Ryder an. Und IRENA-Generaldirektor Francesco La Camera erklärte: »Fortschritt, der nicht zugleich inklusiv ist, ist nicht nachhaltig: Eine grüne Wirtschaft muss Chancen für alle schaffen und gut bezahlte, sichere Jobs in allen Bevölkerungsschichten bereithalten.« Im Abkommen, das beide unterzeichnet haben, ist skizziert, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Forschungsvorhaben und Initiativen gehören dazu, gemeinsame Trainings und Ausbildungen, Publikationen und gemeinsame Veranstaltungen, bei denen Wissen und Erfahrungen geteilt werden sollen.
Selbstverständlich ist das nicht. Denn die 2009 gegründete IRENA, der 165 Staaten und die Europäische Union angehören (18 weitere Länder sind auf dem Weg, Mitglied zu werden), verfolgt als internationale Organisation vorrangig das Ziel, den Ausbau erneuerbarer Energien großflächig und verstärkt voranzutreiben. Beratung und technische Unterstützung stehen dabei im Mittelpunkt, ebenso die Klärung von Rechtsfragen und der Kompetenzaufbau. Zudem stellen die IRENA-Expert_innen auch Daten und Zugänge zu Finanzierungsmechanismen bereit.
Fragen von Arbeit und sozialer Gerechtigkeit müssten dabei nicht zwangsläufig eine Rolle spielen – allerdings ist in der Satzung von einer »nachhaltigen Nutzung« der Erneuerbaren die Rede. Und so sind es nicht zuletzt die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, zu deren Familie IRENA nicht gehört, die die junge Agentur mit der über 100 Jahre alten ILO zusammengebracht haben, die sich um die Welt der Arbeit insgesamt kümmert. Diese muss sich angesichts des Strukturwandels in der Arbeitswelt ohnehin stärker als bisher mit jungen und boomenden Branchen auseinandersetzen. IRENA ist dafür ein idealer Partner, zumal beide Organisationen bereits in mehreren Feldern zusammenarbeiten.
So ist IRENA an der »Green Initiative« der ILO beteiligt, die sich mit Bedingungen und Folgen von Transformationsprozessen hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft auseinandersetzt. Die ILO ist ihrerseits schon lange Partnerin der von IRENA betriebenen Plattform für Jobs in der Nachhaltigen Energie, die Stakeholder aus allen Bereichen für die Umsetzung des UN-Nachhaltigkeitsziels 7 zusammenbringt, das »bezahlbare und saubere Energie« fordert.
Der eingangs zitierte jährliche Bericht zu Jobs in der Erneuerbaren-Branche ist ein Beispiel für konkrete Kooperation. In ihm erfahren politische Entscheider_innen, welche Branchen besonders viele Menschen beschäftigen - Spitzenreiter ist übrigens die Solarenergie mit 4 Millionen Arbeitsplätzen, gefolgt von der Windsparte mit 1,25 Millionen - und wie die Lage in den verschiedenen Ländern aussieht. So sind derzeit fast zwei von fünf Arbeitsplätzen der Branche in China verortet, es folgen Brasilien, Indien, die USA und die EU.
Doch auch in ärmeren Ländern wächst die Zahl der Arbeitsplätze, was ILO und IRENA auch deshalb begrüßen, weil sie gemeinsam mehr inländische Wertschöpfungsketten fordern. Einerseits würden dadurch mehr und bessere Arbeitsplätze überall auf der Welt gefördert, andererseits das globale Wachstum Erneuerbarer auch dann sichergestellt, wenn etwa eine Pandemie den globalen Handel zum Stillstand bringt. Ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Interessen von ILO und IRENA überlappen.
Der Autor: Marc Engelhardt arbeitet als Journalist in Genf.