Pflegearbeit weltweit - Pflege für die Zukunft
Pflegearbeit weltweit - Pflege für die Zukunft

Der Bedarf an Pflege und Betreuung ist enorm. Das zeigen aktuelle Daten. Darin liegt eine Chance, vorausgesetzt die Investitionen in die Pflege werden verdoppelt.
Die Folgen sind nicht nur für die Betroffenen fatal: In vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gibt es nahezu keine öffentlichen Dienstleistungen für die Langzeitpflege alter Menschen. In diese Lücke drängen private Anbieter, aber die können sich nur Wohlhabende leisten. Deshalb werden Pflegebedürftige oft von Angehörigen versorgt, die dafür nicht bezahlt werden – und das sind vor allem Frauen. In Kolumbien etwa hat das Statistikamt DANE festgestellt, dass in den Jahren 2012 und 2013 zusammen 34.754 Millionen Stunden unbezahlter Pflegearbeit geleistet wurden – das entspricht einem Geldwert von 19,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts von 2012. Rund 79 Prozent dieser unbezahlten Pflegearbeit wurde von Frauen erbracht.
Global leisten Frauen drei Viertel der unbezahlten Care-Arbeit. Sie gleichen damit fehlende öffentliche Dienstleistungen aus. Das stellt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in ihrem Bericht »Sorgearbeit und Betreuungsjobs für die Zukunft menschenwürdiger Arbeit« fest. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Care-Arbeit.
Um eine globale Pflegekrise zu verhindern, müssen die Investitionen in die Pflegewirtschaft verdoppelt werden, fordert die ILO. Nach ihren Berechnungen wird sich der Betreuungs- und Pflegebedarf weltweit bis zum Jahr 2030 bei älteren Menschen auf 400 Millionen Personen verdoppeln und einschließlich der Betreuung von Kindern auf 2,3 Milliarden Personen wachsen. Dieser enorme Bedarf lockt Goldgräber an. Weltweit investieren Finanzinvestoren zunehmend in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen, weil das hohe Renditen verspricht. In Ländern ohne gute Sozialversicherungssysteme, die eine Finanzierung der Versorgung gewährleisten, haben Ärmere dazu aber keinen Zugang. Deren Versorgung übernehmen die Familien – also Frauen.
»Unbezahlte Pflegearbeit ist ein Haupthindernis für den Eintritt und Verbleib von Frauen im Erwerbsleben«, heißt es in der Studie. Immerhin gibt es Programme für die Betreuung von Kindern. In Chile zum Beispiel gibt es öffentliche Betreuungsangebote für Kinder unter sechs Jahren aus den ärmsten Haushalten sowie vorübergehend für Kinder von Frauen, die saisonal in der Landwirtschaft arbeiten.
In Indien umfassen öffentliche Dienstleistungen zur Kinderbetreuung hauptsächlich arme ländliche Gebiete. Im Zuge des Programms »Anganwadi« zum Beispiel können Frauen Kinder in Krippen versorgen lassen, wo sie eine kostenlose tägliche Mahlzeit bekommen. Integrierte Child Development Service Center wurden an Grundschulen platziert. Regierungsprogramme wie in Chile und Mexiko zeigen, dass öffentliches Handeln wichtig für die Emanzipation und die Unterstützung von Frauen ist, schreiben die Autoren. Ziel des mexikanischen Programms ist auch, die Erwerbsarbeit von Frauen durch Dienste zu erhöhen, die sich auf Pflege von Älteren konzentrieren.
Im gigantischen Bedarf nach Pflege und Betreuung liegt eine Chance: Hier könnten neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die vor allem Frauen zu Gute kämen. Investieren Staaten in Vorschulerziehung oder Langzeitpflege, steigen die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, heißt es in der Studie.
Die Bandbreite des Investitionsvolumens in Care-Arbeit ist groß: In Schweden und Dänemark sind es etwa acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Indien, Mexiko oder Indonesien weniger als ein Prozent. In Kolumbien sind es knapp sechs Prozent, in Brasilien drei Prozent und Chile rund zwei Prozent. Nach Schätzung des Internationalen Gewerkschaftsbunds (IGB) würden durch Investitionen von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zum Beispiel in China 24 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen, in Indien 11 Millionen, in Brasilien 4,2 Millionen und in Indonesien fast 2,8 Millionen.
Anja Krüger lebt als Journalistin in Berlin und beschäftigt sich viel mit Gewerkschaftspolitik.