Schöneberger Forum 2015
Demokratie in der Dienststelle
Zeitgemäße Standards im Personalvertretungsrecht
Der öffentliche Dienst steht vor großen Herausforderungen. Die Digitalisierung der Arbeitswelt und der demografische Wandel ziehen tiefgreifende Veränderungen nach sich, die nur Arbeitgeber bzw. Dienstherr und Beschäftigte gemeinsam bewältigen können. Doch während sich der öffentliche Sektor dynamisch weiterentwickelt, bleibt das Personalvertretungsrecht im Bund und in vielen Ländern in der Vergangenheit stecken. In den Behörden wurden Organisationsgrenzen verschoben, Umstrukturierungen vorgenommen und Arbeitsabläufe verändert.
Der Handlungsrahmen der Personalräte wird dieser Entwicklung jedoch nicht gerecht. Viele Personalvertretungsgesetze sind von modernen demokratischen Standards weit entfernt. Es bestehen Mitbestimmungslücken, die endlich geschlossen werden müssen. Engagierte Frauen und Männer, die sich in Personalräten für ihre Kolleginnen und Kollegen einsetzen, tragen nicht nur zur Sicherung der Beschäftigteninteressen bei, sondern auch zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Das können sie jedoch nur, wenn die rechtlichen Bedingungen es zulassen.
Forum I
Gesundheitsmanagement: Mitbestimmt geht’s mir besser!
Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass Maßnahmen des Gesundheitsmanagements mitbestimmungspflichtig sind. Hinsichtlich der praktischen Arbeit im Personalrat sind damit aber längst nicht alle Fragen geklärt: Welche Möglichkeiten gibt es, beispielsweise mit Dienstvereinbarungen über das gesetzliche Mindestmaß der Mitbestimmung hinaus zu gehen? Wann ist schon die gesundheitliche Bestandsaufnahme mitbestimmungspflichtig? Wird schlechtes Führungsverhalten von Vorgesetzten nun Gegenstand der Mitbestimmung, weil es sich psychisch belastend auswirkt? Um diese Fragen drehte sich die Diskussion im Fourm I und am Ende stand ein Appell an den Realismus: „Keine riesigen Gebäude des Gesundheitsmanagements aufbauen“, riet Prof. Dr. Wolfhard Kohte. Es gehe darum, bestehende Rechte auszuschöpfen, statt ständig neue zu fordern. „Gesundheit in der Dienststelle strategisch angehen“, riet Dr. Nadine Pieck. Wirksamer als eine überbordende Forderungsliste – in der Hoffnung, dass wenigstens etwas davon durchkomme – sei es, hinsichtlich (un)gesunder Arbeitsbedingungen Selbsterkenntnisprozesse der Führungspersonen zu initiieren. Wenn man eine gemeinsame Problemwahrnehmung habe, ließe sich im Kleinen konstruktiver ausprobieren, wie es in der Behörde gesünder laufen kann. Dr. Elke Ahlers ergänzte, wie wichtig es sei, den Beschäftigten transparent zu machen, welche Schritte beim Gesundheitsmanagement anstehen und sie dann einzubeziehen und zu fragen. Auch hier wurde vor überzogenen Methodenstandards gewarnt: „Befragungen kann man überall machen, auf Gesundheitstagen, Personalversammlungen, online“, rief Verena Blix auf.
Forum II
Was ist Erfahrung wert? Mitbestimmung bei der Ersteinstufung
Im öffentlichen Dienst hat die Erfahrung das Lebensalter als wesentlichen Anknüpfungspunkt bei der Ersteinstufung in die jeweilige Entgelttabelle abgelöst. Die zentrale Frage, die sich Personalräten damit stellt, lautet: Besteht ein Mitbestimmungsrecht bei der Stufenzuordnung? Während das Bundesverwaltungsgericht dazu für den Tarifbereich – egal ob TVöD, TV-L oder TV-H - in den letzten Jahren Regeln entwickelt hat, gehen die Meinungen in Bezug auf die Ersteinstufung bei Beamtinnen und Beamten auseinander. Nicht zuletzt deshalb, weil viele Personalvertretungsgesetze die Eingruppierung in die Besoldungstabelle nicht explizit nennen. Im Rahmen des Forums erläuterten die Referenten Udo Mertens und Eberhard von Baden die rechtlichen Rahmenbedingungen und beantworteten die zahlreichen Fragen der Teilnehmenden rund um das Thema. Dabei wurde deutlich, dass der „Kreativität“ der Arbeitgeber und Dienstherrn bei der Umgehung der Mitbestimmungsregeln kaum Grenzen gesetzt scheinen.
Forum III
Gemeinsam Gleichstellung verwirklichen
"Wenn eine Behörde keinen Gleichstellungsplan aufstellt, darf sie nicht mehr einstellen." so die Auffassung von Dr. Torsten von Roetteken, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, die er im Forum „Gemeinsam Gleichstellung verwirklichen“ vertrat. Solange es keine schmerzhaften Sanktionen gegen diskriminierende Arbeitgeber gebe, entscheide die Haltung der Hausleitung, ob Gleichstellung stattfinde. Dabei verschenke die öffentliche Hand Potentiale, wenn sie diskriminiert. Es gehe darum, klüngelhafte Netzwerke aufzubrechen. Gleichstellung bedeute zudem nicht nur Gleichberechtigung bei der Arbeit, sondern auch Rollenveränderungen, sagte von Roetteken. Frauke Gützkow, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der GEW, machte deutlich, dass es derzeit umso wichtiger sei, dass sich Personalräte als Treiber der Gleichstellung verstünden. Sie hätten die Aufgabe, für diskriminierungsfreie Arbeitsbedingungen zu sorgen. Auf Grund unterschiedlicher Rollen von Personalrat und Gleichstellungsbeauftragter werde allerdings nicht immer an einem Strang gezogen. Routinen in der Zusammenarbeit – zum Beispiel regelmäßige Einladungen des Personalrats an die Frauenbeauftragte – könnten da helfen, schlug von Roetteken vor. Gützkow stellte außerdem die aktive Rolle von Gewerkschaften heraus. Diese könnten die Zusammenarbeit, etwa durch Beratung, ebenfalls fördern.
Forum IV
JAV und Personalrat: Auf die Zusammenarbeit kommt es an!
Dank der Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) erhalten die Interessen der unter 18jährigen Beschäftigten und der unter 25jährigen Auszubildenden bei der Personalvertretung ein besonderes Gewicht. Der Erfolg ihrer Arbeit hängt jedoch nicht zuletzt von der Qualität der Zusammenarbeit zwischen JAV und Personalrat ab. Schließlich kann die JAV zwar eigene Beschlüsse fassen, die Umsetzung erfolgt aber nur gemeinsam mit dem Personalrat. Daher braucht es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, um im Interesse aller agieren zu können. Diese Feststellung ließ sich am Ende des Forums durchaus ziehen. So machten die Referentinnen und Referenten in ihren Erfahrungsberichten deutlich, wie wichtig das "miteinander Können" für beide Seiten ist. Während die Personalräte oftmals von den „erfrischenden Impulsen“ der JAVs profitieren, sollen die auf die Unterstützung der Personalräte zählen können. Doch wie alle Beziehungen bedürfe auch diese einer gewissen Pflege. Dazu zähle es auch, dass die Personalräte die Mitglieder der JAVs als künftige Gremiumsmitglieder erkennen und entsprechende Nachwuchsgewinnung betreiben.
Forum V
Zeit für ein Upgrade: Mitbestimmung in der digitalen Verwaltung
Seit Jahren arbeiten Personalräte für gute Arbeit in der digitalen Verwaltung. Ein neuer Schub zentralisierter IT-Modernisierungen macht ihnen das schwer. Wo keine ressortübergreifenden Mitbestimmungsrechte bestehen, sind die Messen meist gesungen, wenn die Umsetzung im Ressort ansteht. Wie kann vernetzte Mitbestimmung in der vernetzten Verwaltung effektiv funktionieren? Vor welchen Herausforderungen stehen Personalräte, um ergonomisches und stressfreies Arbeiten der Kolleginnen und Kollegen zu sichern? Wie müssen sie und die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes sich angesichts von Mammut-Aufgaben wie der flächendeckenden elektronischen Akte aufstellen? Und wie soll gute (mobile) digitale Arbeit in der Zukunft eigentlich aussehen? Darauf suchten die Teilnehmenden des Forums V Antworten. Dr. Melanie Frerichs resümierte am Abschluss des Forums: "Technik kann auch Spaß machen." Ihre Erfahrung zeige, dass viele Kolleginnen und Kollegen „Bock drauf haben, mit dem iPad durch den Betrieb oder die Dienststelle zu laufen.“ Die Digitalisierung bringe viele Herausforderungen. Aber nicht alle Veränderungen hingen ursächlich mit der Digitalisierung zusammen. „Arbeitsverdichtung, Hetze und Individualisierung würden auch so zu Veränderungen führen“, meint Frerichs, „durch Technik werden sie bloß verstärkt.“ Dabei warnte sie davor, bestehende Interessenskonflikte klein zu reden: „Die Arbeitgeber verwechseln Selbstmanagement mit Beteiligung“, so Frerichs, „bei dem einen geht es darum, eine von oben gemachte Leistungsvorgabe selbständig auszugestalten, bei dem anderen um eine Gestaltung von unten.“ Auch Prof. Tino Schuppan trat dafür ein, die Digitalisierung der Verwaltung bewusst und partizipativ zu gestalten im Sinne einer Humanisierung der Arbeit. Damit die Digitalisierung klappe, brauche es Machtpromotoren in der politischen Führung, Fachpromotoren und soziale Promotoren. Es sei empirisch nachweisbar, dass man Fachpromotoren nicht an externe Beratungsgesellschaften outsourcen könne und dass die Beteiligung des Personalrats für das Gelingen notwendig sei.
Forum VI
Vorbildliche Praxis: Wie die Beschäftigten den öffentlichen Dienst mitgestalten
Nachhaltige Mitbestimmung erfordert zum einen ein zeitgemäßes Personalvertretungsrecht. Zum anderen setzt sie vor allem das Engagement der Akteure in den Dienststellen voraus. Erst der Personalrat erweckt das Personalvertretungsrecht zum Leben. Der Deutsche Personalräte-Preis rückte wieder diejenigen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die sich mit beispielhaften Initiativen für die Belange ihrer Kolleginnen und Kollegen einsetzten. Im Rahmen dieses Fachforums stellten Nominierte und Preisträger des Deutschen Personalräte-Preises 2015 ihre Projekte vor, berichteten über ihre Erfahrungen bei der Umsetzung und diskutieren mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern über Möglichkeiten und Ideen zur Übertragung und Weiterentwicklung in anderem Umfeld.