Rechte von Hausangestellten werden verletzt. Umgang mit dem Coronavirus in Hongkong.
Hongkong, 22.02.2020 READ ARTICLE IN ENGLISH
Shiella Estrada von der Progressive Labor Union Of Domestic Workers (PLU) in Hongkong hat viele Anrufe von Hausangestellten erhalten, in denen sie um Hilfe oder Rat gebeten wurde. Es geht um den Umgang mit dem Coronavirus und die Auswirkungen auf ihr Arbeitsverhältnis. Die gemeldeten Fälle zeigen, dass die Rechte der Arbeitnehmer_innen verletzt werden. Einige dürfen an ihrem freien Tag das Haus nicht verlassen, viele sind ständig einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Kündigung, blutige Hände und erzwungene Quarantäne sind weitere Vorfälle. Auch Stigmatisierung und rassistische Vorurteile spielen scheinbar eine Rolle. Der Ausbruch des Virus und der gesamtwirtschaftliche Abschwung verschlechtern die ohnehin bereits prekäre Situation migrantischer Hausangestellter und anderer Gruppen mit niedrigem sozioökonomischem Status.
Gesundheit und Rechte opfern
Im Haushalt sind die Hausangestellten nun mit höheren Hygienestandards konfrontiert. Einige Anforderungen der Arbeitgebenden gehen jedoch über angemessene Maßstäbe hinaus, belasten die Arbeitnehmer_innen und ihre Gesundheit und verletzen ihre Rechte. Hausangestellte sind für die komplette Versorgung des Haushalts zuständig, in dem sie in der Regel auch wohnen - die Zimmerreinigung und Hygiene sowie das Zubereiten von Mahlzeiten. Nach Ausbruch des Virus und der Panik um die Knappheit bestimmter Waren kursierten täglich Gerüchte, wo diese verfügbar wären. Die Arbeitgebenden schickten Hausangestellte in sämtliche Bezirke, um etwa Mundschutz und Toilettenpapier zu besorgen. Sie sind dadurch gezwungen, sich großen Menschenmengen auszusetzen. Shiella Estrada erklärt, dass einige Arbeitgebende die Risiken, die Arbeitnehmende tragen müssen, einfach nicht berücksichtigen. Sie schicken sie jeden Tag auf den Markt, um frische Produkte zu kaufen, anstatt sie gleich für mehrere Tage Lebensmittel einkaufen zu lassen.
Mundschutzmasken sind ebenso knapp wie teuer. Hausangestellte können sie sich nicht leisten, brauchen sie aber, um Aufgaben wie das Einkaufen für den Haushalt zu erledigen. Die Arbeitgebenden sind dafür verantwortlich, die Sicherheit aller im Haushalt zu gewährleisten. In der Praxis stellen einige jedoch nur wenige Masken zur Verfügung und erwarten, diese mehrmals zu verwenden. In manchen Fällen stellen sie überhaupt keinen Mundschutz. Die PLU hatte zuvor die philippinische Botschaft aufgefordert, eine koordinierte Verteilung zu organisieren, aber die Anzahl der zur Verfügung gestellten Masken war bei weitem nicht ausreichend.
Shiella Estrada berichtete von einer Hausangestellten, die stündlich alle Oberflächen im Haus umfassend reinigen musste, ohne dabei Handschuhe tragen zu dürfen. Der Grund? "Ich will keine Handschuhe in meinem Haus." Infolgedessen sind die Hände der Hausangestellten geschwollen, rissig und bluten, was die Möglichkeit einer Infektion durch offene Wunden drastisch erhöht.
Der Preis des Feiertags
Typischerweise verheimlicht und ignoriert in der Stadt, wurde die Gemeinschaft der Hausangestellten über Nacht zu einem Brennpunkt der Kontroversen, als am 18. Februar der erste Infektionsfall unter ihnen auftrat. Arbeitgebende in der ganzen Stadt diskutierten, wie verhindert werden kann, dass ihre Hausangestellten in den Ferien mit denjenigen in Kontakt kommen, die das Virus tragen. Nach Einschätzung der Hongkonger Behörden war die Hausangestellte im Haushalt durch den Arbeitgeber angesteckt worden. Dies wurde im Diskurs nicht reflektiert, stattdessen weiter Aktivitäten der Hausangestellten an ihren freien Tagen diskreditiert. Migrantische Hausangestellte wurden als Risiko für die Verbreitung des Virus dargestellt, denen rudimentäres Wissen zur Prävention fehle. Ein Moderator eines dominanten Fernsehsenders hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Arbeitgebenden zu instruieren, wie sie Arbeitnehmende finanziell entschädigen können für widerrufene freien Tage.[1] Die Sprecherin einer Arbeitgeberorganisation verwies auf die Angst der Arbeitgebenden, dass ihre Hausangestellten den Virus nach Hause bringen, nachdem sie ihren freien Tag draußen verbringen.[2] Bereits im Januar hatte das Arbeitsministerium aufgerufen, Hausangestellte sollten an ihren freien Tagen zu Hause bleiben und Menschenansammlungen vermeiden.[3]
Infolgedessen verspüren Hausangestellte den Druck, zu Hause zu bleiben. Estrada betont, dass die Arbeitszeiten der Hausangestellten bereits sehr lang und beschwerlich sind. Wenn auch noch der freie Tag im Haus des Arbeitgebers verbracht wird, wird der Hausangestellten die Erholung vorenthalten, die sie dringend benötigt. Das wiederum kann zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen. Sie erhielt bereits den Hilferuf einer Hausangestellten, die an ihrem freien Tag für fünf Stunden das Haus verließ. Als sie zurückkehrte, stellte sie fest, dass alle ihre Sachen gepackt waren und sie sofort gehen sollte. Der Arbeitgeber machte geltend, dass sie „mit ihrer Arbeitsleistung nicht zufrieden sei“, um die Kündigung zu rechtfertigen. Ein weiteres Beispiel ist ein Arbeitgeber, der seine Hausangestellte zwangsweise mehrere Tage lang in ihrem eigenen Zimmer in Quarantäne unterbrachte. In dieser Zeit bekam sie nur Instantnudeln, Kekse und Wasser.
Viele der Forderungen und ergriffenen Maßnahmen weichen so weit von Vernunft und Fairness ab, dass sie der ursprünglichen Absicht widersprechen, ‚die Gesundheit aller zu schützen‘. Shiella Estrada merkt an, dass nach dem Ausbruch des Coronavirus die üblichen Orte, an denen Hausangestellte an ihren freien Tagen häufig sind - beispielsweise im Victoria Park -, immer weniger frequentiert werden. Sie vermutet, dass viele Hausangestellte in den Bezirken bleiben, in denen sie arbeiten und sich in den kleinen Parks aufhalten. Die PLU-Sitzungen werden mittlerweile per Telefonkonferenz durchgeführt.
Fazit
Im Hinblick auf Bedenken, ob migrantische Hausangestellte ausreichend darüber informiert sind, wie sie sich vor dem Virus schützen können, weist sie darauf hin, dass die Gewerkschaft hart daran gearbeitet hat, zu organisieren und Informationen in verschiedenen Sprachen zu verbreiten. Zudem verbreiten die Arbeitnehmer_innen selbst Informationen in ihren Peer-to-Peer Netzwerken und tauschen sich aus. Darüber hinaus bietet die zuständige Behörde (Food and Environmental Hygiene Department) jetzt Aktualisierungen in Tagalog und Bahasa Indonesia an. Shiella Estrada schlägt vor, dass Betroffene, die befürchten, dass migrantische Hausangestellte keine ausreichenden Kenntnisse haben, sich von Fachleuten aus Institutionen und Organisationen beraten lassen. Wenn jedoch Angst zur Diskriminierung der gesamten Gruppe von migrantischen Hausangestellten und zur Verletzung ihrer Rechte führt, handelt es sich schlicht um rassistische Diskriminierung.
Autorin: Denise Wong
//Denise Wong: interested in walking with others on the rough path to the future. She is a member of Tak Cheong Lane Vegetarian Co-operative, Printhow (woodblock printing collective) and Same Same Different Association, all based in Hong Kong.//
Übersetzung: Valerie Franze
[1] https://bit.ly/2wCKZOL
[2] https://www.thestandard.com.hk/breaking-news/section/4/142127/Employers-fear-virus-infections-from-helpers
[3] https://www.fdh.labour.gov.hk/tc/news_detail.html?fromPage=news&year=2020&n_id=110
Foto: Sonntags auf der Charter Road, Hongkong Island, wo sich viele Hausangestellte treffen: Performance einer Tanzgruppe.