Gewerkschaftsrechte als Menschenrechte: Schutz und Umsetzung
In der globalisierten Wirtschaft geraten Gewerkschaftsrechte vielerorts unter Druck. Welche grundlegenden Rechte haben Gewerkschaften und die Arbeitenden überhaupt – und wie wird ihre Einhaltung überwacht?
Die Autorin Folke Kayser ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Menschenrechte und beantwortet hier die wichtigsten Fragen. Der Artikel wurde im Dezember 2019 in unserer Broschüre Gewerkschaftsrechte weltweit (2019) veröffentlicht.
Was sind Menschenrechte? Menschenrechte sind grundlegende Rechte, die die Würde des einzelnen Menschen schützen und ihm ein freies selbstbestimmtes Leben in Gemeinschaft mit anderen ermöglichen sollen. Dazu gehören bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Menschenrechte sind universell, unveräußerlich und unteilbar. Die Universalität bezieht sich auf die Geltung, nicht jedoch auf die Verwirklichung der Menschenrechte, die freilich durch die einzelnen Staaten sehr unterschiedlich umgesetzt werden.
Für wen gelten die Menschenrechte? Rechtsinhaber der Menschenrechte sind alle Menschen.
Wer trägt die Verantwortung für die Menschenrechte? Menschenrechtliche Pflichtenträger sind alle staatlichen Institutionen. Sie sind dazu verpflichtet, die Menschenrechte zu achten, vor Beeinträchtigungen durch Dritte (z. B. Unternehmen) zu schützen und sie zu gewährleisten. Unternehmen tragen ebenfalls eine Verantwortung: Sie müssen mit menschenrechtlicher Sorgfalt agieren, um möglichen negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte vorzubeugen oder diese zu mindern. Im Falle von Menschenrechtsbeeinträchtigungen haben die Opfer Anspruch auf Wiedergutmachung. Letztlich tragen alle gesellschaftlichen Akteure wie auch Nichtregierungsorganisationen, Medien, Kirchen und Gewerkschaften Verantwortung für die Menschenrechte.
Wo sind die Menschenrechte festgeschrieben? Die Vereinten Nationen (UN) haben 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet, die ein wichtiges politisches Instrument ist, jedoch nicht rechtlich bindend ist. Deshalb haben die UN 1966 zwei Menschenrechtspakte verabschiedet, die die Menschenrechte in einer für alle Unterzeichnerstaaten rechtsverbindlichen Form festlegen: den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, auch »UN-Sozialpakt« genannt, und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, kurz »UN-Zivilpakt«.
Wie entstehen Menschenrechtsabkommen auf UN-Ebene? Menschenrechtsabkommen werden zwischenstaatlich auf Vertragsstaatenkonferenzen ausgehandelt und in der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) von den Mitgliedstaaten verabschiedet.
Welche Rolle spielen Gewerkschaften bei der Verwirklichung von Menschenrechten? Der Zusammenschluss von Arbeitnehmenden schafft Durchsetzungskraft und Augenhöhe in Verhandlungen mit Arbeitgebenden. So können Arbeitnehmende ihre Rechte und Interessen durchsetzen. Gewerkschaften haben auch eine große Bedeutung für das Funktionieren einer demokratischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Sie bewirken die Umverteilung von Macht und Wohlstand in die Breite der Gesellschaft.
Was sind Gewerkschaftsrechte? Gewerkschaftsrechte sind der Kern der Rechte der Arbeitenden, weil durch sie alle anderen Arbeiterrechte erstritten werden können. Sie beinhalten erstens das Recht eines oder einer jeden, Gewerkschaften zu bilden und einer Gewerkschaft eigener Wahl beizutreten, und zweitens das Recht der Gewerkschaften, sich frei zu betätigen sowie nationale oder internationale Verbände zu gründen und ihnen beizutreten. Außerdem gehören dazu das Recht zu Kollektivverhandlungen und das Streikrecht, soweit es in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung ausgeübt wird.
Wo sind diese Gewerkschaftsrechte festgelegt? Seit 1948 gibt es die wichtigste rechtliche Grundlage für Gewerkschaftsrechte, das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes (Abkommen Nr. 87). Alle anderen Rechtsquellen beziehen sich darauf und müssen konform ausgelegt werden. Ein weiteres grundlegendes ILO-Übereinkommen ist das Abkommen Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen. Die Gewerkschaftsrechte sind darüber hinaus sowohl im UN-Sozialpakt (Artikel 8) als auch im UN-Zivilpakt (Artikel 22) festgeschrieben.
Wie entstehen ILO-Übereinkommen? Alle Übereinkommen der ILO werden mit Vertreter_innen aus Regierungen, von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden in einem Unterausschuss der Internationalen Arbeitskonferenz verhandelt. Die Mitglieder der ebenfalls dreigliedrig besetzten Arbeitskonferenz verabschieden es dann und fordern die Mitgliedstaaten zur Ratifizierung auf.
Was können internationales Recht und seine Gremien leisten? Das internationale Recht und internationale Normen bilden den Referenzrahmen für nationales Recht und Politik. Soziale Bewegungen können sich darauf berufen und so ihre Forderungen legitimieren. Entscheidend ist, dass Beschäftigte Gewerkschafts- und Arbeitsrechte auf nationaler Ebene immer wieder rechtlich und politisch erstreiten und verteidigen. Internationale Organisationen können bei Missständen politischen Druck ausüben, haben aber keine Zwangsmittel um internationales Recht in souveränen Staaten durchzusetzen. Sehr wohl können sie feststellen, was und was nicht normenkonform ist und somit zur Rechtsklarheit beitragen. Die Rechenschaftspflicht von Staaten gegenüber den internationalen Gremien schafft Transparenz über Missstände und Menschenrechtsverletzungen. Auf die Berichte können sich wiederum Akteur_innen der Zivilgesellschaft berufen, wenn sie Forderungen an die nationale Regierung stellen.
Sind die Gewerkschaftsrechte im Rahmen der UN und der ILO rechtlich bindend? Von der Regierung unterzeichnete Völkerrechtsabkommen – das gilt sowohl für Menschenrechtsabkommen als auch für ILO-Übereinkommen – müssen in Deutschland dem Parlament zur Ratifizierung vorgelegt werden. Erst ratifizierte Abkommen sind rechtlich bindend. Die nationale Gesetzgebung ist mit den Inhalten des Abkommens in Einklang zu bringen.
Woher wissen die Staaten, wie sie die Gewerkschaftsrechte auszulegen haben? Die ILO hat praktisch zu jedem Übereinkommen eine Empfehlung erlassen, wie es zu interpretieren und umzusetzen sei. Die UN-Fachausschüsse zu den einzelnen Menschenrechtsabkommen verabschieden sogenannte Allgemeine Bemerkungen zur Auslegung einzelner Menschenrechte. Für die Gewerkschaftsarbeit relevant sind die Allgemeinen Bemerkungen zum UN-Sozialpakt zum Recht auf Arbeit (Nr. 18), zum Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen (Nr. 23) und zu den Pflichten der Vertragsstaaten des Sozialpakts im Kontext unternehmerischen Handelns (Nr. 24). Eine Auslegung der Rechte geschieht auch durch die Rückmeldungen der UN-Organe, die die staatliche Umsetzung überprüfen sowie durch die nationalen Verfassungsgerichte und regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe.
Ist es möglich, Gewerkschaftsrechte im Zuge der nationalen Umsetzung der Rahmenvorgaben gesetzlich einzuschränken? Gesetzliche Einschränkungen sind theoretisch nur zulässig, wenn sie im Interesse der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer erforderlich sind. Sie können grundsätzlich eingeschränkt sein für Streitkräfte und Polizei und beim Streikrecht für Angehörige der öffentlichen Verwaltung, die hoheitliche Befugnisse ausüben
Was zeigt die Praxis? Die vermeintliche Gefährdung von nationaler Sicherheit und öffentlicher Ordnung als Begründung für Ausnahmen öffnet ein Einfallstor, das zum Missbrauch einlädt: So gibt es derzeit in mehr als 140 Ländern Anti-Terror-Gesetze. Autoritäre Regierungen nutzen sie, um Protest, Streik und Opposition unter anderem von Gewerkschaften zu unterdrücken und die eigene Macht zu erhalten.
Wie überwacht die ILO die Gewerkschaftsrechte? Als spezialisierte Sonderorganisation der Vereinten Nationen für alle Fragen rund um Arbeit und Beschäftigung ist die ILO die wichtigste internationale Instanz zum Schutz der Arbeiter- und Gewerkschaftsrechte. Das Normenkontrollverfahren der ILO gilt im Vergleich zu anderen UN-Verfahren als relativ wirksam. Das Erfolgsrezept ist die enge Einbindung von Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen in alle Gremien und Verfahren der ILO. Es gibt zwei grundlegende Verfahren zur Überprüfung der Umsetzung der ILO-Übereinkommen, das reguläre Normenkontrollverfahren und das zusätzliche Verfahren zum Schutz der Vereinigungsfreiheit.
Wie funktionieren diese Verfahren im Einzelnen? Im Rahmen des regulären Normenkontrollverfahrens müssen die Mitgliedstaaten der ILO in regelmäßigen Abständen über den Stand der Umsetzung der von ihnen ratifizierten Übereinkommen berichten. Der unabhängige Sachverständigenausschuss für die Anwendung der Normen und Empfehlungen der ILO veröffentlicht jedes Jahr einen Bericht zur Einhaltung der ILO Normen. Darüber hinaus sendet er konkrete Verbesserungsvorschläge unmittelbar an die Regierungen des betroffenen Mitgliedstaates.
Aufgrund der besonderen Bedeutung der Vereinigungsfreiheit und des Rechts auf Kollektivverhandlungen werden Verstöße gegen die Kernarbeitsnormen 87 und 98 durch den dreigliedrig besetzten Ausschuss für Vereinigungsfreiheit der ILO gesondert debattiert. Dieser legt der betroffenen Regierung einen Bericht mit Verbesserungsvorschlägen zur Stellungnahme vor. Bestimmte Fälle werden dem Sachverständigenausschuss übermittelt.
Welche Verletzungen der Gewerkschaftsrechte mahnt die ILO in Deutschland an? Deutschland wird sowohl vom Sachverständigenausschuss als auch vom Ausschuss für Vereinigungsfreiheit seit Jahrzehnten immer wieder dafür gerügt, dass deutschen Beamten pauschal das Streikrecht verwehrt wird, auch wenn sie – wie etwa Lehrer_innen – in keinem Bereich tätig sind, in dem sie genuin hoheitliche Befugnisse ausüben.
Wie überwacht das UN-Menschenrechtssystem Gewerkschaftsrechte? Weil Gewerkschaftsrechte Menschenrechte sind, hat auch das Menschenrechtsschutzsystem der UN eine Bedeutung für ihren Schutz. Es gibt Verfahren, die an einzelne Menschenrechtsabkommen gebunden sind und welche, die direkt dem Menschenrechtsrat, einem Nebenorgan der UN-Generalversammlung, unterstehen. Dazu gehören das Staatenberichtsverfahren für einzelne Abkommen, das Allgemeine Regelmäßige Überprüfungsverfahren und Sonderverfahren.
Noch einmal im Einzelnen: Was ist das Staatenberichtsverfahren für einzelne Abkommen? Staaten, die einem Abkommen beigetreten sind, müssen regelmäßig über den Umsetzungsstand in ihrem Land berichten. Zivilgesellschaftliche Organisationen können zusätzlich sogenannte Parallelberichte einreichen. Jedes Menschenrechtsabkommen hat einen Fachausschuss aus Expert_innen als Vertragsorgan, der die Umsetzung prüft. Die UN-Fachausschüsse begutachten die Staatenberichte und Parallelberichte, stellen Rückfragen und formulieren sogenannte Abschließende Bemerkungen. Darin fordern sie prioritäre Maßnahmen von Regierungen zur vollständigen Umsetzung des Abkommens.
Gibt es aktuelle Beispiele, in denen Gewerkschaftsrechte eine Rolle spielen? Gewerkschaftsrechte werden in sehr vielen Abschließenden Bemerkungen zum Sozialpakt und Zivilpakt angesprochen. So wird Nigeria beispielsweise ermahnt, effektiver dagegen vorzugehen, dass Gewerkschafter_innen bedroht und ermordet werden. Mauritius ist aufgefordert, die Gewerkschaftsrechte in Freihandelszonen besser zu schützen und Südafrika wird empfohlen, das Streikrecht einschränkende Änderungen des Gewerkschaftsgesetzes zurückzunehmen.
Wie funktioniert das Allgemeine Regelmäßige Überprüfungsverfahren des UN-Menschenrechtsrats? Der UN Menschenrechtsrat hat 2007 ein allgemeines regelmäßiges Überprüfungsverfahren (Universal Periodic Review, UPR) eingerichtet, dem alle Mitgliedstaaten alle vier bis fünf Jahre unterzogen werden. Betrachtet werden die Menschenrechte aus allen ratifizierten UN-Menschenrechtsabkommen. Andere Staaten überprüfen jeweils den Staatenbericht, Berichte von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Informationen aus dem UN-System, also auch aus der ILO. Am Ende des Verfahrens formulieren sie Empfehlungen an den überprüften Staat, die dieser annehmen oder ablehnen kann.
Gibt es auch hierfür ein aktuelles Beispiel? Panama brachte 2018 die Empfehlung ein, Aserbaidschan solle Kollektivverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen fördern. Die aserbaidschanische Regierung nahm an.
Bleiben noch die Sonderverfahren des UN Menschenrechtsrats. Was hat es damit auf sich? Der UN Menschenrechtsrat kann außerdem Sonderberichterstatter_innen oder Arbeitsgruppen zu kritischen Themen oder problematischen Ländern einsetzen. Diese Sonderverfahren analysieren die aktuellen Herausforderungen und machen Empfehlungen zu ihrer Überwindung. Für Gewerkschaftsrechte sind zwei besonders relevant. Der Sonderberichterstatter zum Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit geht in jedem seiner Berichte auch auf die Situation der Gewerkschaftsrechte ein. Er sieht als globalen Trend die zunehmende Verengung des Freiraums für zivilgesellschaftliche Organisationen, von der auch Gewerkschaften betroffen sind.
Was ist das zweite aktuell für Gewerkschaftsrechte besonders relevante Sonderverfahren? Eine Arbeitsgruppe befasst sich mit der Umsetzung der UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Sie hat sich in letzter Zeit vor allem damit beschäftigt, wie Opfer von Rechtsverletzungen in globalen Lieferketten einen verbesserten Zugang zu Abhilfe und Wiedergutmachung erhalten können. Der Prozess, hier zu einem bindenden Abkommen (»Binding Treaty«) zu kommen, läuft seit 2014, kommt aber nicht so recht voran, weil wichtige Staaten und Verbünde sich an den Verhandlungen nicht beteiligen. Dazu gehört neben den USA auch Deutschland.
Welche Rolle spielen regionale Menschenrechtsschutzsysteme? Für Europa ist dies zum einen der Europarat mit seinen 47 Mitgliedern. Ihm angegliedert ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der die Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention überwacht. Individuen oder Personengruppen können Beschwerde bei ihm einlegen, wenn sie sich in ihren Rechten verletzt sehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kann Staaten zu Strafzahlungen an das Opfer verurteilen, nationale Rechtsprechung aber nicht rückgängig machen.
Wie relevant ist dieser Europäische Gerichtshof für Menschenrechte? Das Verfahren ist vergleichsweise wirksam, weil es viel in Anspruch genommen wird und in vielen tausend Fällen Recht gesprochen hat. Mehrfach wurden hier auch Fälle zu Arbeits- und Gewerkschaftsrechten verhandelt – besonders viele zum Thema Gewerkschaftsfreiheit von Angehörigen des Öffentlichen Dienstes in der Türkei. Ein anderes Beispiel ist der Fall einer deutschen Beschwerdeführerin: Der Altenpflegerin war fristlos gekündigt worden, weil sie Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber erstattet hatte mit der Begründung, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen erhielten wegen Personalmangels keine angemessene Gegenleistung für die von ihnen getragenen Kosten. Der Gerichtshof entschied zu ihren Gunsten.
Was unterscheidet den Gerichtshof der Europäischen Union vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte? Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ist das oberste Rechtsprechungsorgan der EU. Er ist für die Wahrung des EU-Rechts bei der Auslegung und Anwendung der europäischen Verträge und Rechtsvorschriften zuständig. Seine Zuständigkeit umfasst alle Rechtsgebiete, darunter auch das Verfassungs-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialrecht. Der EuGH kann von einem Mitgliedstaat, einem Organ der EU sowie von unmittelbar und individuell betroffenen natürlichen und juristischen Personen angerufen werden. Seine Urteile und Vorabentscheidungen zur Auslegung des Unionsrechts bei Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten sind direkt rechtlich bindend. Der EuGH hat schon mehrfach Fälle mit Bezug zu Gewerkschaftsrechten verhandelt und entschieden.
Ein Beispiel für eine Entscheidung des EuGH zu Gewerkschaftsrechten? Anlässlich einer Anrufung durch eine finnische Gewerkschaft hat der EuGH entschieden, dass die Arbeitnehmenden bei einer Arbeitnehmerentsendung aus einem Herkunftsland innerhalb der EU Anspruch auf den Mindestlohn im Zielstaat haben und die Branchengewerkschaft im Zielstaat eine tarifrechtliche Zuständigkeit für diese Arbeitnehmenden hat.
Gibt es auf anderen Kontinenten vergleichbare Institutionen, die die Einhaltung der Menschenrechte überwachen? Zur Überwachung der Amerikanischen Menschenrechtskonvention ist die Interamerikanische Menschenrechtskommission zuständig, ein Sonderorgan der Organisation Amerikanischer Staaten. Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof verhandelt auch Individualbeschwerden. Darunter gab es auch etliche Fälle zu Gewerkschaftsrechten. Zur Überwachung der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker gibt es analog die an der Afrikanischen Union angesiedelte Afrikanische Kommission und den Afrikanischen Gerichtshof für die Menschenrechte und Rechte der Völker mit Individualbeschwerdemöglichkeit. Für Asien gibt es bisher keinen regionalen Schutzmechanismus für Menschenrechte.
Wie können die Gewerkschaften selbst aktiv werden, um für eine bessere Verankerung ihrer Rechte und die der Arbeitenden zu sorgen? Zur Verteidigung der Gewerkschaftsrechte, der Menschenrechte und der zivilgesellschaftlichen Freiräume ist es für Gewerkschaften wichtig, nationale und globale Allianzen mit anderen Akteur_innen der Zivilgesellschaft zu bilden. Beispiele dafür in Deutschland sind die Beteiligung von Gewerkschaften an den #unteilbar-Demonstrationen für Gleichheit und soziale Rechte oder der jüngst lancierten Kampagne für ein verbindliches Lieferkettengesetz in Deutschland. Ein bekanntes Beispiel internationaler Vernetzung ist das Weltsozialforum, ein globales Bündnis und jährliches Treffen von Globalisierungskritiker_innen. Die internationalen Menschenrechte und die Dokumente aus dem Menschenrechtsschutzsystem sind oft der gemeinsame Bezugspunkt und Bindeglied solcher Allianzen und Bewegungen. —