Aus den Projekten »Ich kann Matches herstellen«
2.09.2022 I Georg Weininger ist Netzwerker. Für das DGB Bildungswerk und die GIZ verbindet er Akteur_innen der Gewerkschaften und der Entwicklungszusammenarbeit. Sein Auftrag: gewerkschaftliche Ansätze und Standards in der Entwicklungszusammenarbeit zu implantieren.
Nord | Süd news: Georg, Deine Berufsbezeichnung klingt, als sei da was aus Zeiten der New Economy übrig geblieben. Was macht, bitte schön, ein »Business Scout for Development« des DGB Bildungswerks?
Da muss ich gleich mal korrigieren: In meinem Fall heißt das nur »Scout for Development«. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, also die GIZ, die unser Programm ins Leben gerufen hat, legt zwar viel Wert auf Corporate Design, aber für einen »Business« Scout würden wohl bei den Gewerkschaften gleich die Türen wieder zugehen. Das wäre aber schade!
Was ist das Besondere an dem Programm?
Das »Scout«-Programm fördert die Kooperation der Wirtschaft mit der Entwicklungsarbeit. Diesem Auftrag gehe ich bei den Gewerkschaften nach. Gewerkschaften werden dabei als integraler Bestandteil der Wirtschaft verstanden. Wir, die Scouts, unterstützen die Partnerinstitutionen bei der Entwicklung von Programmen oder bei Investitionen in sogenannten Entwicklungsländern. Dabei ist die Nachhaltigkeit globaler Lieferketten ein zentrales Thema. In meinem Fall spreche ich aber eher nicht von Investitionen, sondern von gewerkschaftlichen Projekten oder auch generell dem Aufbau von gewerkschaftlicher Arbeit in Entwicklungszusammenhängen. Im deutschen Lieferkettengesetz sind gewerkschaftliche Institutionen explizit als Akteure genannt, die im Sinne der Menschenrechte tätig sind. So sieht das Gesetz für Gewerkschaften die konkrete Aufgabe der Prozessführung im Falle von Menschenrechtsverletzungen vor.
Wie lange bist Du schon Scout?
Seit November 2021. Meine Stelle ist die erste institutionalisierte Kooperation zwischen GIZ und DGB.
Wie sieht Deine Arbeit aus?
Ich bin Ansprechpartner für die gesamte Gewerkschaftslandschaft, was Entwicklungszusammenarbeit angeht – ob DGB, DGB Bildungswerk, Mitgliedsgewerkschaften oder internationale Dachverbände. Mit den internationalen Abteilungen dieser Organisationen entwickle ich Projekte.
Kannst Du ein Beispiel nennen?
Die IGBCE unterstützt ihre Partnergewerkschaft Sintracarbón in Kolumbien mit einer Just Transition-Studie. Die Beschäftigten dort im Steinkohleabbau sind genauso wie ihre deutschen Kolleg_innen mittlerweile von absehbaren Zechenschließungen betroffen. Auch wenn jetzt gerade Kohleverstromung durch den Krieg in der Ukraine und die Probleme mit den Gaslieferungen aus Russland wieder in der Diskussion sind: Die Verträge mit internationalen Unternehmen mit den kolumbianischen Minen laufen aus. Wie ein gewerkschaftlich getragener Strukturwandel aussehen kann, das ist das Thema dieser Studie.
Ich bin das Bindeglied innerhalb der GIZ für Projekte, ich habe sozusagen den Durchblick, kann Matches herstellen und im besten Fall Projektfinanzierungen ermöglichen.
Gibt es schon Erfolge zu verbuchen?
Wir sind noch in der Netzwerkphase. Eine strategische Partnerschaft zwischen dem DGB und dem BMZ besteht zwar schon einige Jahre, ist aber doch noch am Anfang. Sie geht zurück auf die Zusammenarbeit des ehemaligen DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann mit dem damaligen Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller. Der hatte infolge des Großbrandes in der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch Projekte in der Textilbranche angeregt und festgestellt, dass die Gewerkschaften über das meiste Know-how verfügen, was Sicherheit und Arbeitsqualität in den weltweiten Lieferketten angeht. Zudem sind sie starke Hebel und können vor Ort größere Netzwerke und mehr Akteure mobilisieren. Die strategische Partnerschaft wurde später auf alle Branchen ausgeweitet. Auch im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Regierungsparteien ist die Rolle der Gewerkschaften in der Entwicklungszusammenarbeit explizit erwähnt.
Mit dieser Nordsüd-Arbeit übernehmen die Gewerkschaften eine neue Rolle. Wie blickt der DGB darauf?
Von Seiten des DGB liegt das Interesse im politischen Gestaltungswillen, die Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der Achtung der Menschenrechte zu prägen. Dass sie hier nun eine starke Rolle spielen; dass es mit meiner Stelle dafür eine Institutionalisierung gibt, das ist ein deutliches Zeichen – und ja, ich würde sagen: ein echter Erfolg.
Der Interviewte: Georg Weininger ist seit 2021 »Scout for Development« für die GIZ. Er arbeitet bei der GIZ und wird an das DGB Bildungswerk »ausgeliehen«. Weininger ist gelernter Zimmermann. Über die Ausbildung kam er zur IG BAU und war in der politischen Bildungsarbeit tätig. Er studierte mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung Philosophie und Literaturwissenschaft sowie Internationale Beziehungen im Master. Dazwischen war er für ein Projekt des BMZ am Willy-Brandt-Center in Jerusalem verantwortlich.
Der Interviewer: Jürgen Kiontke ist Journalist und lebt in Berlin