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Bild entfernt.Nicht nur sauber, sondern rein - soll die Unterrichtung des Betriebsrats sein! Einen solchen Slogan hätte sich ein Gebäudereinigungsunternehmen zu Herzen nehmen können, bevor es in 2 Instanzen mit einem Zustimmungs- ersetzungsverfahren wegen einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds scheiterte. Der Fall selbst ist zwar alles andere als schön, aber er gibt gut Aufschluss darüber, welche Anforderungen an die Unterrichtung in einem Zustimmungsverfahren gemäß § 103 BetrVG bzw. einem Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zu stellen sind.

 

Sexuelle Belästigung und Nötigung am Arbeitsplatz - und das durch einen Betriebsratsvorsitzenden, das ist zum Nachmachen wirklich nicht geeignet. Eine ehemalige Arbeitnehmerin hatte im besagten Fall gegenüber ihrem ehemaligen Arbeitgeber schwere Vorwürfe erhoben. Der Betriebsratsvorsitzende sollte sie mehrfach sexuell belästigt und ihr gedroht haben, er werde darauf einwirken, dass sie im Betrieb nicht weiter beschäftigt werde, wenn sie seine Annäherungen nicht zulasse.

Das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin endete - die Belästigungen nicht. Erst dann wandte sich die Frau per Fax an ihren ehemaligen Arbeitgeber und schilderte ihm die Situation. Nach einem persönlichen Gespräch gab sie bei einem Anwalt eine eidesstattliche Versicherung ab.

Der Arbeitgeber entschloss sich, dem Betriebsratsvorsitzenden außerordentlich zu kündigen. Er ersuchte den Betriebsrat hierzu um Zustimmung gemäß § 103 BetrVG und stellte sich hierbei wahrlich nicht geschickt an.

- Arbeitgeber blieb vollständige Unterrichtung schuldig -

Es fand zwar ein persönliches Gespräch zwischen einem Vertreter der Arbeitgeberseite und dem Betriebsrat statt (der Vorsitzende war nicht zugegen und wurde durch seinen Stellvertreter bzw. ein Ersatzmitglied vertreten). Die Betriebsratsmitglieder hatten als Muttersprache jedoch nicht deutsch, sondern türkisch bzw. griechisch. Trotzdem wurde auf einen Dolmetscher verzichtet, was zu Verständnisschwierigkeiten führte, die in der späteren Beweisaufnahme folgenschwere Spuren hinterließen.

In dem Gespräch übergab die Arbeitgeberseite dem Betriebsrat ein Schreiben, das den Antrag der Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden enthielt. In dem Schreiben waren die Vorwürfe gegen den Betriebsratsvorsitzenden aufgeführt. Was es jedoch nicht enthielt:

  • einen Hinweis auf das Telefaxschreiben der ehemaligen Arbeitnehmerin
  • einen Hinweis auf die eidesstattliche Versicherung, der ehemaligen Arbeitnehmerin
  • einen Hinweis auf den Zeitpunkt, zu dem die Arbeitgeberseite von den Vorwürfen Kenntnis erlangt hatte.

Im Laufe des Gesprächs bat der Betriebsrat erfolglos um weitere Informationen. Insbesondere das Telefaxschreiben und die eidesstattliche Versicherung bekam er nicht ausgehändigt. Ob der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber noch erörtert wurde, ob der Hinweis auf die eidesstattliche Versicherung erwähnt wurde, darüber konnte auch eine spätere Beweisaufnahme keine Klarheit mehr bringen. Weder der Vertreter der Arbeitgeberseite war in der Lage, dies glaubhaft zu bezeugen, noch konnten dies die Betriebsratsmitglieder, denn diese waren während des Gesprächs durch die sprachlichen Verständigungsprobleme zum großen Teil aus dem Film gekickt worden. Die Punkte blieben damit unbewiesen und wurden zu Lasten des Arbeitgebers als im Gespräch nicht erörtert gewertet.

Als der Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung verweigerte, ging der Arbeitgeber vor Gericht, um sie ersetzen zu lassen - und scheiterte in zwei Instanzen. Nach einer Schlappe vor dem Arbeitsgericht Frankfurt erachtete das Landesarbeitsgericht Frankfurt (20 TaBV 244/07) in seiner Entscheidung vom 28.08.2008 den Antrag auf Zustimmungsersetzung nach § 103 BetrVG als unzulässig und wie die Beschwerde zurück. 

- Betriebsrat konnte Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht nachvollziehen -

Der Arbeitgeber habe nicht, wie es ordentliches Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG erfordere, den Betriebsrat in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Arbeitgeber die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB noch einhalten konnte. Denn er habe nicht mitgeteilt, wann genau er von den Vorwürfen Kenntnis erlangt habe. Der Betriebsrat konnte somit nicht nachvollziehen, ob die Kenntniserlangung und die Kündigung noch in diesem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgten. Ist dies nämlich nicht der Fall, und ist die Zwei-Wochen-Frist verstrichen, wird gesetzlich unwiderlegbar vermutet, dass ein möglicherweise erheblicher Grund nicht mehr geeignet ist, das Arbeitsverhältnis unzumutbar zu machen.

Ganz wichtig also für den Betriebsrat zu merken: Ein ausreichendes Anhörungs- wie Zustimmungsverfahren des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung setzt voraus, dass er mitgeteilt bekommt, wann der Arbeitgeber Kenntnis von den Kündigungstatsachen erhalten hat. Nur so kann er die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB überprüfen. Das gilt für das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG und - da es sich bei § 103 um eine weitergehende Form des Beteiligungsrechts handelt - für das Verfahren nach § 103 BetrVG.

Die Möglichkeit, die Einhaltung der Kündigungsfrist nachprüfen zu können, entspringt wiederum aus der Pflicht des Arbeitgebers, dem Betriebsrat die Kündigungsabsicht und die maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen, welche den wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung darstellen. Nur so kann der Betriebsrat die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig werden, ohne selbst Nachforschungen anstellen zu müssen.

- Praxistipp: wie umgehen mit vermurkster Unterrichtung? -

Und was sagt uns das für den Ernstfall? Ich meine den Fall, dass vielleicht mal im eigenen Betrieb ein Antrag zu einer Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds eingeht, bei dem genau das Wichtige fehlt: das Datum der Kenntniserlangung des Arbeitgebers über den Kündigungsgrund. Hier gilt der alte Spruch "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold". Denn macht der Betriebsrat den Arbeitgeber gleich auf dieses Manko aufmerksam, holt der Arbeitgeber dies sofort nach, und die Unterrichtung ist plötzlich vollständig. Taktisch klüger ist es hier, den Arbeitgeber nicht sofort auf diesen Fehler hinzuweisen, sondern dies erst zu einem späten Zeitpunkt im Gerichtsprozess preiszugeben. Denn dann führt es zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Auch das LAG Frankfurt nimmt hierzu im vorliegenden Beschluss auf seiner letzten Seite noch Stellung:

"Die nachträglich ordnungsgemäß vorgenommene Unterrichtung des Betriebsrats führt nicht zu einer rückwirkenden Heilung des Zustimmungsverfahrens. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss bereits bei Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens feststehen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung des Verfahrens vorliegen oder nicht".

 

Annette Fuhrmann

 

Textquellen:

 

Pressemitteilung  des LAG Frankfurt Nr. 17/08 vom 23.12.2008

 

Beschluss des LAG Frankfurt Aktz 20 TaBV 244/07 vom 28.08.2008 im Volltext

 

Bildquelle:

 

Putzfimmel /  EllyderOlch / aboutpixel

 

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