Der weite Weg der Eisenerzes
Im brasilianischen Regenwald wird Eisenerz ohne Rücksicht auf Mensch und Natur produziert. Viel davon landet in Europa und Asien.
Ein Text unserer Partnerorganisation Repórter Brasil.
03.06.2022 I Die größte Eisenerzmine der Welt liegt mitten im brasilianischen Regenwald. Sie wird mit schweren Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstößen in Verbindung gebracht. Ein Bericht zeigt nun: Das dort produzierte Eisenerz wird auch massenhaft nach Europa und Asien exportiert.
Kinder, denen die Füße durch Eisenerzrückstände verbrennen. Arbeiter_innen, die Sicherheitsmängeln und Gesundheitsproblemen ausgesetzt sind. Ganze Gemeinden, in denen das Recht auf Wohnraum, auf einen angemessenen Lebensstandard und auf Umwelt verletzt wird. Das sind einige der Auswirkungen der Grande Carajás-Mine. Die größte Eisenerzmine der Welt wird vom Megakonzern Vale betrieben und liegt im Bundesstaat Pará, mitten im Amazonas-Regenwald im Norden Brasiliens. Neben dem Bergbau umfasst die Mine eine Eisenbahnlinie, Stahlwerke und einen Hafen.
Der Konzern wird nun öffentlich zur Rechenschaft gezogen. Der Bericht „Heavy metal – das desumanas minas aos bens de consumo globais, a jornada do ferro brasileiro“ (Heavy Metal - von unmenschlichen Minen zu globalen Konsumgütern, die Reise des brasilianischen Eisens“) wurde am Donnerstag, den 24. Februar 2022, veröffentlicht. Er zeigt auf, wie der im Amazonasgebiet gewonnene Rohstoff die nordbrasilianischen Bundesstaaten Pará und Maranhão durchquert und in Form von Produkten für die Automobil-, Haushaltsgeräte- oder Infrastrukturindustrie Länder in Asien und Europa erreicht.
"Die Menschen auf der ganzen Welt konsumieren, ohne es zu wissen, dass es sich um Produkte von Bergbau- und Stahlunternehmen handelt, die seit mehr als drei Jahrzehnten die Gesundheit [der Menschen] schädigen und die Umwelt im brasilianischen Amazonasgebiet verschmutzen", erklären die Internationale Föderation für Menschenrechte (FIDH) und NGO Justiça nos Trilhos (JnT). Die beiden Organisationen sind verantwortlich für den Bericht, der auf Grundlage einer von Repórter Brasil durchgeführten Untersuchung erstellt wurde.
Ziel: Europa
Die Studie ergab, dass China bei weitem der wichtigste Abnehmer für die Eisenerzexporte aus der Carajás-Mine ist. Zwischen Januar und September 2021 gab es insgesamt 523 Transporte. 310 gingen davon nach China, 76 nach Europa. Der europäische Kontinent könnte jedoch auch indirekt Eisen aus Carajás erhalten, über Stahlprodukte aus China. Auch die Türkei, die Vereinigten Staaten, Argentinien, Rumänien, Oman, Mauritius, Südafrika und Ägypten kauften Eisenerz aus dem brasilianischen Regenwald.
Zu den europäischen Abnehmer_innen gehören Unternehmen wie ArcelorMittal (Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien), Tata Steel (Niederlande) und Acciaierie Ditalia (Italien). In Asien verweist der Bericht auf Verbindungen zu Unternehmen wie Baowu/Baosteel, dem weltweit größten Stahlhersteller, sowieso HBIS/Hesteel. Beide kommen aus China. Außerdem werden JFE Steel aus Japan und Posco und Hyundai aus Südkorea in dem Bericht genannt. Malaysia, wo Vale einen eigenen Hafenterminal unterhält, hat ebenfalls Lieferungen aus der Region erhalten.
Der Bericht aus Brasilien nennt neben Vale auch die Unternehmen Siderúrgica Viena S.A. und die Ferroeste-Gruppe, zu der Gusa Nordeste S.A. und Aço Verde do Brasil gehören.
Wachstum für wen?
Von allen in dem Bericht genannten Unternehmen meldete sich nur Vale zu Wort und erklärte, dass die Aktivitäten in Amazonien "zum Wachstum von Pará beitragen". "Der Sektor sorgt für Steuereinnahmen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und bewegt die gesamte Produktionskette für die Lieferung von Waren, Ausrüstungen und Dienstleistungen", schrieb das Unternehmen.
Ziel des Berichts ist es nach Angaben der Organisationen, "nicht zu suggerieren, dass Unternehmen in der Wertschöpfungskette für die Missstände verantwortlich sind", sondern "die Unternehmen aufzufordern, eine Sorgfaltsprüfung durchzuführen, um die Situation vor Ort zu überprüfen". Obwohl internationale Beschwerden über Verstöße entlang dieses Produktionskorridors bis zum UN-Menschenrechtsrat vorgedrungen sind, werden weiterhin Probleme dokumentiert, die sich aus der Verschmutzung und unzureichenden Abfallbehandlung ergeben.
Aus diesem Grund haben die für den Bericht verantwortlichen Organisationen elf Empfehlungen ausgearbeitet. Diese richten sich sowohl an Vale, dass das Erz in Carajás abbaut, als auch an die anderen Unternehmen, die an der Produktionskette beteiligt sind.
„Ohne juristische Tricks“
Zu den Vorschlägen für die Unternehmen, die auf brasilianischem Boden tätig sind, gehören die Durchführung von Folgenabschätzungen in Bezug auf Menschenrechte, die Offenlegung genauer Informationen über soziale und ökologische Fragen gegenüber ihren Aktionär_innen und die Einhaltung von Gerichtsurteilen, die den Betroffenen in Carajás Entschädigungen zusprechen. "Ohne juristische Tricks, um die Vollstreckung von Gerichtsurteilen zugunsten der Opfer hinauszuzögern", fügen die Autor_innen hinzu. Der Bericht weist auch auf die Notwendigkeit hin, sich bei der Gemeinde Piquiá de Baixo, wo die Auswirkungen besonders gravierend sind, förmlich zu entschuldigen. Die Bewohner_innen sollen umgesiedelt und entschädigt werden, heißt es in dem Text.
Die Unternehmen, die Eisenerz, Roheisen und Stahl aus Carajás beziehen, sollten ihre direkten und indirekten Zulieferunternehmen und Geschäftspartner_innen erfassen, um festzustellen, ob sie in direktem Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen in Carajás stehen, und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, um Verstöße zu unterbinden.
Eine umfassende Offenlegung dieser Lieferkette wird ebenso befürwortet wie die Nutzung des Einflusses der Unternehmen, "um sicherzustellen, dass Unternehmen, die Missstände verursachen oder zu ihnen beitragen, wirksame Wiedergutmachung für verletzte Rechte leisten". "Wenn dies nicht möglich ist, sollten die Unternehmen eine verantwortungsvolle Beendigung der Beziehung zu dem Unternehmen in Betracht ziehen", fügen die Autor_innen hinzu. "Es ist dringend notwendig, die schweren Verstöße anzuerkennen, damit eine vollständige Wiedergutmachung erfolgen kann. In diesem Sinne tragen auch die Unternehmen der Stahl- und Eisenkette ihre Verantwortung.“
Autor: Repórter Brasil
Übersetzung/Redaktion Juni 2022: Niklas Franzen
Zum Weiterlesen:
https://www.nd-aktuell.de/artikel/988395.der-bergbau-ist-ein-monster.html
Es handelt sich um eine kontextualisierte Übersetzung mit zusätzlichen, erklärenden Informationen. Eingeschobene Absätze sind von der Redaktion erstellt. Der Originaltext erschien am 24.02.2022.