Fokus Afrika: E-Commerce - Die Zukunft liegt im Internet
29.09.2021 I Die Jacke eines Designers aus Kenia kaufen, die Bluse einer Modemacherin aus Nigeria? Der elektronische Handel macht es möglich. Er verlinkt die Kontinente zunehmend miteinander. Entscheidend ist aber, dass Jobs vor Ort entstehen.

Internationale Modemacher_innen wie Louis Vuitton und Stella McCartney haben längst gezeigt, wie inspirierend der afrikanische Kontinent ist. Für ihre Kollektionen nutzen sie Ankara und Pagne, wie die für Westafrika typischen und meist farbenfrohen Stoffe genannt werden. Sie schauen sich auch bei den Designs einiges ab. Für den Ghanaer Samuel Mensah aus gutem Grund: »Afrika hat viele Facetten und eine reiche Kultur, was gut für Ideen und Konzepte ist.« Das schmeichelt zwar, doch der Kontinent selbst profitiert nicht. »Von der Wertschöpfungskette bleibt nichts hier. Es gibt kaum Kooperationen mit afrikanischen Designer_innen.« Das wollte Mensah, der heute in Südafrika lebt, ändern: Er gründete das Start-up Kisua, für das afrikanische Designer_innen Mode entwerfen. Ein weiteres Standbein ist ananse.com, eine Kunst- und Modeplattform.
Mensah kommt ursprünglich aus der Finanzwirtschaft und arbeitete für die Deutsche Bank in London sowie den US-amerikanischen Halbleiterhersteller Intel. Er beriet die Afrikanische Union und interessierte sich zunehmend für die Start-up-Szene. Das eigene Start-up sollte allerdings etwas anderes machen als Finanztechnologie und Mobilität. »Es sollte ein Bereich sein, der viel Potenzial hat, bisher aber vernachlässigt wurde.« Die Kombination von Mode und elektronischem Handel erschien ihm dafür optimal.
Die Kisua-Homepage zeigt, wie vielfältig die Modeszene ist, und wie Designer_innen Traditionen und Kultur verarbeiten. Aus Kenia stammen beispielsweise mit Perlen verzierte Sandalen, während aus Lesotho, einem in den Bergen gelegenen und von Südafrika umgebenen Königreich, eher Capes kommen, die an die traditionellen Basotho-Blankets, handgewebte Decken, erinnern. Etwa die Hälfte der Bestellungen verlässt derzeit Afrika. Die Zahlen steigen, was mit der Corona-Krise zusammenhängt: »Derzeit kommen weniger Menschen aus der Diaspora zurück«, so Mensah.
Ohne den elektronischen Handel wäre das nicht möglich. »Noch ist dieser nicht allzu sehr entwickelt«, sagt allerdings Paul Asinor, Direktor der gerade gegründeten ghanaischen Vereinigung für den E-Commerce. Dennoch ist der für ihn die Geschäftsform der Zukunft. »Wir haben auf dem Kontinent 500 Millionen Internetnutzer_innen, ein enormer Markt.« Ein weiterer Pluspunkt ist die Altersstruktur. 42 Prozent der Einwohner_innen südlich der Sahara sind jünger als 15 Jahre. Auch würde die Mittelschicht in vielen Ländern wachsen, was sich in Ländern wie Ghana und der Elfenbeinküste besonders deutlich zeigt. Deshalb ist er optimistisch, auch wenn er sagt: »Diese Chancen lassen sich kaum berechnen.«
Für Asinor wichtig ist allerdings, dass neben dem Handel eine Warenproduktion entsteht. Tatsächlich ist Afrika bis heute der Rohstoff-Kontinent, der andernorts hergestellte Güter teuer zurückkaufen muss. Die Produktion zu steigern, bringt Arbeitsplätze, an denen es bislang mangelt. »Unternehmen zahlen außerdem vor Ort Steuern, was wiederum die Wirtschaft ankurbelt.«
Stoffe sind auf dem Kontinent lange hergestellt worden. Die nordnigerianische Stadt Kaduna war etwa bis in die 1980er Jahre bekannt für ihre Textilindustrie. Die Fabriken stehen längst leer, und der Markt ist nach Asien abgewandert. Samuel Mensah geht nicht davon aus, dass er zurückkommt. Chancen haben aber Stoffe, die von Hand hergestellt und nur schwer nachgemacht werden können, handgewebte Tücher etwa. »Dafür ist eine lange Ausbildung notwendig, was Kund_innen zu schätzen wissen.«
Gewerkschaftlich organisiert sind die wenigsten Mitarbeitenden der Unternehmen, die die Plattform ananse.com nutzen, sagt Mensah. Dazu seien diese zu klein. Beim internationalen Gewerkschaftsverbund IndustriAll kennt man das Problem, fokussiert sich bisher aber auf die großen Branchenplayer mit tausenden von Beschäftigten. Wenn jemand Druck machen könnte, sind es die Beschäftigten in den Stofffabriken, mit denen Kisua zusammenarbeitet, glaubt Mensah. Dort ist der Organisationsgrad deutlich höher. Trotzdem gehöre eine faire Entlohnung zur Idee der afrikanischen Design-Allianz, sie soll durch höhere Preise ermöglicht werden.
Um E-Commerce anzutreiben und den Unternehmen bessere Aussichten zu bieten, braucht es allerdings bessere Handelsabkommen. »Das 2019 unterzeichnete afrikanische Freihandelsabkommen öffnet den Markt«, da ist sich Asinor sicher. Der Warenaustausch war zwischen den afrikanischen Ländern bisher eher gering, was auch an der schlechten Infrastruktur – Schienenverkehr gibt es fast nirgendwo –, langwierigen Grenzkontrollen und Korruption liegt. »Selbst im Norden Ghanas müssen die Straßen besser werden«, meint Asinor. Dabei gilt Ghana als Vorzeigeland und ist keinesfalls mit der krisengebeutelten Sahelregion zu vergleichen. Nur wenn sich das bessert, kommt die Ware auch zu den Käufer_innen. Dafür müssen beispielsweise auch verlässliche Zustellsysteme entwickelt werden. Bis heute muss sogar die Post im Postamt abgeholt werden, weil es keine Auslieferung gibt.
Eine weitere Bedingung funktioniert allerdings bereits gut: digitale Bezahlmodelle. Unter anderem bieten Mobilfunkanbieter diesen Service an. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Apps auf den Markt gekommen. Grund ist einmal mehr die schlechte Infrastruktur. Gerade auf dem Land gibt es kaum Banken. Heute lässt sich überall mit Handy und wenigen Klicks bezahlen.
Die Autorin: Katrin Gänsler berichtet als freie Journalistin über Westafrika, sie lebt in Lagos und Cotonou