Gewerkschaftsrechte weltweit: Subsahara Afrika - Eine große Herausforderung ist China
Konflikte, Klimawandel, Bevölkerungswachstum: Die afrikanischen Länder stehen in den nächsten Jahren vor Mammutaufgaben. Chinesische Investitionen sind da willkommen. Aber sie bringen auch neue Probleme, denen sich die Gewerkschaften stellen müssen.
Die Autorin Crecentia Mofokeng ist die regionale Vertreterin Afrika und Naher Osten bei der Building and Wood Workers International (BWI), der Bau- und Holzarbeiter Internationale, einem Projektpartner des DGB Bildungswerk BUND - Nord-Süd-Netz. Der Artikel wurde im Dezember 2019 in unserer Broschüre Gewerkschaftsrechte weltweit (2019) veröffentlicht.
Die optimistischen Erwartungen zum Wirtschaftswachstum in Subsahara Afrika aus den Jahren 2010 bis 2014 sind längst realistischeren Annahmen gewichen. Derzeit legt die Wirtschaftsleistung jährlich um etwas mehr als 3 Prozent zu. Allerdings ist das Wachstum sehr unterschiedlich auf die einzelnen Volkswirtschaften verteilt und kommt beim größten Teil der hier lebenden Menschen nicht an. Im Gegenteil: Ein Viertel lebt in Armut, Subsahara Afrika ist die einzige Region weltweit, in der die Zahl der Hungernden in den vergangenen Jahren nicht gesenkt werden konnte. Das liegt auch an dem schnellsten Bevölkerungswachstum in der Region.
Dabei ist diese rasant wachsende Workforce, die nicht auf ebenso viele neue Jobs trifft, vielleicht die größte, aber nicht die einzige Herausforderung. Zu fallenden Rohstoffpreisen, die die wirtschaftliche Entwicklung hemmen, kommt eine Kombination aus Bürgerkriegen und sichtbar werdenden Folgen des Klimawandels: Neben verstärkten Dürren, sorgen die jüngsten Wirbelstürme für dramatische Schäden. Der Zyklon »Idai« forderte mehr als 1.000 Todesopfer in Malawi, Mosambik und Simbabwe, »Kenneth« führte in Mosambik zum Tod von 52 Menschen. Fabriken, Häuser, Brücken, Sportanlagen und andere Infrastruktur müssen neu aufgebaut werden.
Eine große Bedeutung in dieser herausfordernden Situation sind die Beziehungen zu China. Seit der Jahrtausendwende strömen vor allem chinesische Staats- und Privatunternehmen in afrikanische Länder. Sie suchen nach Rohstoffen, neuen Märkten und anderen Geschäftsmöglichkeiten. 2009 schon überholte China die USA als größten bilateralen Handelspartner des Kontinents und baute den Vorsprung seitdem weiter aus. Aber die neue Weltmacht ist nicht nur größter Handelspartner und größter bilateraler Einzelinvestor, sie festigt ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu Subsahara Afrika auch mit Entwicklungshilfe, Schuldenerlass, akademischen Stipendien, Ausbildung und indem sie Spezialist_innen bereitstellt. Chinesische Kredite sind oft daran gebunden, dass wiederum chinesische Unternehmen profitieren. So liefern chinesische Firmen beispielsweise Material für lokale Bauprojekte (siehe Kasten Seite 50).

Für Bevölkerung und Gewerkschaften hat der wachsende Einfluss Chinas aber auch eine Kehrseite. Die chinesischen Arbeitgebende forcieren eine Entwicklung hin zu unsicheren und prekären Arbeitsplätzen, sie lagern ganze Produktionsbereiche aus, arbeiten mit Unteraufträgen und befristeten Verträgen. Sie zahlen niedrige Gehälter, die oft unter den Mindestlöhnen liegen, behalten die Beiträge zur Sozialversicherung ein und setzen immer wieder auch geschlechtsspezifische Gewalt ein, um die Beschäftigten gefügig zu machen. Gibt es deswegen doch einmal Ärger mit den Behörden oder der Justiz, geben die Geschäftsführungen vor, Englisch oder eine andere Amtssprache nicht zu verstehen und deshalb wohl versehentlich gegen Arbeitsschutzgesetze verstoßen zu haben. Gegenüber Gewerkschaften und organisierten Arbeitnehmenden treten sie aggressiv auf und verstecken sich dabei gern hinter ihren Beziehungen zu den jeweiligen Regierungen.
Gewerkschaften als zentrale Akteure
Obwohl gewerkschaftlich organisierte Arbeitende in der Region selten mehr als eine kleine Minderheit der Bevölkerung darstellen, spielten und spielen die Gewerkschaften eine durchaus bedeutende politische Rolle. In vielen afrikanischen Volkswirtschaften belegen sie strategische Positionen, insbesondere im Bereich der Verkehrsinfrastruktur. Sie verfügen über eine räumlich konzentrierte Organisationsbasis sowie eine gewisse Symbolkraft, die daher kommt, dass sie in der Geschichte an den Kämpfen gegen Kolonialismus, Apartheid und Autoritarismus beteiligt waren.
Um zu verstehen, wie es dazu gekommen ist, sollte man einen Blick zurück werfen. Im Jahrzehnt nach dem Ende der formalen Kolonisierung gab es zunächst heftige Debatten darüber, wie autonom die Gewerkschaften gegenüber den neuen Regierungsparteien sein durften. In den letzten Jahren der Kolonialherrschaft hatte das Verhältnis immer wieder gewechselt, so dass für die Beschäftigten nicht klar war, auf was sie sich verlassen konnten. Schließlich waren in den 1970er Jahren meist keine politisch unabhängigen Gewerkschaftswesen zugelassen und Aufbauversuche wurden unterdrückt. Spätestens mit den Strukturanpassungsprozessen, die den afrikanischen Ländern zur Lösung ihrer Schuldenkrise zugemutet wurden, gewannen die Gewerkschaften aber wieder an Bedeutung und spielten eine wichtige Rolle bei Protesten gegen die neoliberalen Reformen. In einigen Ländern trugen sie dann auch zu einer politischen Transformation hin zu Demokratie bei.
Derzeit stehen die Gewerkschaften vor der großen Aufgabe, auch die nichtorganisierten Beschäftigten und vor allem den wachsenden informellen Sektor zu berücksichtigen. Nur so können sie verhindern, dass die dortigen prekären Arbeitsverhältnisse von den Unternehmen dazu missbraucht werden, das Niveau bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen abzusenken.
Eine besondere Rolle kommt hier der Internationalen der Holz- und Bauarbeitenden zu. Seit 2018 hat die BWI Region Afrika Mittlerer Osten Tausende von Arbeitnehmenden mobilisiert und zur Unterstützung von Arbeitskämpfen in verschiedenen Ländern aufgerufen. BWI-Mitgliedsorganisationen in Afrika haben die Belegschaften in verschiedenen multinationalen Unternehmen organisiert – auch in chinesischen: Im Oktober 2018 hatten 22 Gewerkschaften aus 17 Ländern insgesamt 71.378 Mitglieder, die in 170 chinesischen multinationalen Konzernen beschäftigt waren. Es gab 56 Tarifverträge auf Unternehmens- und nationaler Ebene.
Allerdings ist die Umsetzung von bestehendem Recht und Tarifverträgen nach wie vor eine große Aufgabe. Von den Gewerkschaften angestrengte gerichtliche Klärungen etwa in Kenia dauern an. In Simbabwe riefen die Gewerkschaften wiederholt zu Streiks auf, um die Arbeitgebenden zur Einhaltung der Tarifverträge zu zwingen. In Ghana bezog man erfolgreich den chinesischen Botschafter mit ein.
Strategieplan 2018 bis 2021
Damit sich die nationalen Gewerkschaften noch besser aufstellen können, hat BWI strategische Ziele entwickelt. Bei der Umsetzung helfen sollen Netzwerke für Betriebsräte und Organisator_innen, die Schulungen zu innovativen Organisationsformen, Arbeitsschutz und Tarifverhandlungen in chinesischen Unternehmen anbieten. Die Teilnehmenden sollen auch lernen, wie sie Beweise sammeln, wenn Arbeitnehmer- oder Gewerkschaftsrechte verletzt werden. Auch Austauschprogramme zwischen afrikanischen und chinesischen Arbeitnehmenden werden gefördert. Darüber hinaus soll es eine Organisationsakademie geben, um Gewerkschafter_innen und Wissenschaftler_innen Wissen und Hintergründe über das Engagement von multinationalen Unternehmen und internationalen Finanzinstitutionen in Afrika zu vermitteln.
Parallel zur Arbeit vor Ort adressieren die Internationale der Holz- und Bauarbeitenden und die Mitgliedsorganisationen direkt die Zentralen der multinationalen Konzerne, die in Subsahara Afrika tätig sind, um sie in die Pflicht zu nehmen. Zu ihren Aktivitäten gehören
- weiterführende Diskussionen und gemeinsame Aktivitäten mit diesen Interessengruppen
- die Durchführung einer Kartierung wichtiger Bauprojekte, einschließlich des ehrgeizigen globalen Projekts von China, der Belt and Road Initiative
- Schulungen zu Organisation, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
- eine Kampagne zur Einhaltung der ILO-Konventionen, insbesondere Vereinigungsfreiheit, Recht auf Kollektivverhandlungen sowie Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit der Zementunternehmen
- die Durchführung von gewerkschaftlichen Organisationsmaßnahmen und Unterstützung der Maßnahmen der Gewerkschaft zur Einstellung von Arbeitnehmenden und zur Aushandlung von Tarifverträgen sowie Verbesserung des Schutzes jedes Arbeitnehmenden unabhängig von seinem Vertragsstatus
- die aktive Unterstützung bei der Unterzeichnung globaler Rahmenabkommen über Arbeitsrechte und über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz – durch Beteiligung an gewerkschaftlichen Unternehmensnetzwerken
- die Durchführung und Unterstützung von Kampagnen gegen ausgewählte multinationale Konzerne, wenn diese sich nicht an Vorgaben zu Gesundheit, Sicherheit oder Arbeitszeiten halten
- das Sammeln empirischer Erkenntnisse über Trends und Entwicklungen im Bereich Zulieferungen und Outsourcing in der Zementindustrie
- die Verbesserung der Überwachung von Arbeitsnormen in ausgelagerten Unternehmen