
Just Transition: Peru - Der Klimawandel ist spürbar

Peru gehört mit Bolivien und Honduras zu den drei Ländern Lateinamerikas, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Weil sich die Regierung in Lima schwer tut, macht der Gewerkschaftsdachverband CGTP Druck von unten.
Für Ibis Fernández weisen die ersten Novembertage in Lima in die falsche Richtung. »Wir haben Frühling, aber Temperaturen, die wir normalerweise erst im Hochsommer erreichen«, sagt sie. »Das bedeutet, dass unsere Gletscher ins Schwitzen kommen.« Die 55-jährige Fernández ist Klimaexpertin der CGTP, des größten Gewerkschaftsdachverbandes in Peru. Der hat seinen Sitz im stickigen Zentrum von Lima. In der peruanischen Hauptstadt sind die Risiken des Klimawandels meist kein Thema. Dabei liegt die 10-Millionen-Metropole mitten in der Wüste; umgeben von gräulich-beigen Sandflächen, ist sie vom Wasserzufluss aus den Anden abhängig. Wassermanagement ist folgerichtig eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft.
»Doch bis 2014 war das kaum ein Thema. Erst mit der damals in Lima stattfindenden UN-Klimakonferenz sind die negativen Effekte des Klimawandels für einige NGOs und bei uns in der CGTP zum Thema geworden«, erklärt Fernández. Nur für die Politik spiele das Thema Klimawandel und dessen Folgen, unter denen die Andenbauern leiden, nur eine untergeordnete Rolle.
Das soll sich ändern, deshalb ist die CGTP regelmäßig dabei, wenn es Demonstrationen für das Klima gibt wie am 20. September, dem ersten weltweiten Klimastreiktag. Da wurde auch in Lima marschiert, wenige Tage, bevor Präsident Martín Vizcarra das Parlament auflöste und Neuwahlen für Januar 2020 ankündigte.
Die sind derzeit das alles überlagernde Thema. »Die zentrale Frage lautet: Wie geht es weiter in Peru? Was die Klimakonferenz in Madrid bringt, ist nur für Spezialisten ein Thema«, sagt Fernández. Sie ist im Austausch mit dem Umweltministerium, mit Umwelt- und Entwicklungsorganisationen wie CooperAcción, mit Parlamentariern wie Marco Arana von der linken Frente Amplio. Und sie hofft, dass zumindest eine kleine peruanische Delegation nach Madrid reisen wird. »Nach Chile wären es deutlich mehr gewesen.«
Wie nachrangig das Thema Klimawandel in Peru derzeit angesiedelt ist, zeigt auch der Fall von Saúl Luciano Lliuya. Dessen spektakuläre Klage gegen den deutschen Energiekonzern RWE als einem der Verursacher der klimawandelbedingten Gletscherschmelze in Huaraz, ist in Lima kaum bekannt, obwohl sie durchaus Chancen auf Erfolg hat. Grundsätzlich hat das Gericht im fernen Deutschland entschieden, dass Klimaschäden eine Unternehmenshaftung begründen können.
Das ist auch für Fernández eine Überraschung: »Ich hatte keine Ahnung, dass der Prozess so weit fortgeschritten ist, dass Gutachter nach Huaraz kommen werden. Das ist für uns aber ein Ansatzpunkt, um aktiv zu werden«, meint sie. Ziel der Begutachtung im Rahmen der Beweisaufnahme ist, sich vor Ort ein Bild zu machen, wie gefährdet die Bevölkerung bei einem Dammbruch der Lagune Palcacocha ist. Die liegt weit über der 150.000-Einwohner-Stadt und könnte sie überfluten. Das ist schon einmal vorgekommen und die Klage von Luciano hat zum Ziel, RWE an den Kosten für die Verstärkung der Dämme zu beteiligen.
Für Fernández ist das ein Thema, das die CGTP auf die Straße bringen könnte. »Schließlich sind wir es, die die Zeche zahlen, denn die CO2-Emissionen Perus sind gering«, meint sie. »Für uns sind Themen mit einem lokalen Bezug extrem wichtig, um unsere rund drei Millionen Mitglieder zu sensibilisieren.«
Mit den Plastiktüten sei das bereits »ganz gut gelungen«. 2018 waren Gewerkschaften, Umweltministerium und lokale Regierungen gemeinsam aktiv geworden. »Seit dem 5. Dezember des vergangenen Jahres bekommen Sie nicht mehr wie früher automatisch eine Plastiktüte im Supermarkt in die Hand gedrückt. Sie kostet nun 30 Centavos«, erklärt Fernández.
Ein kleiner Fortschritt, für den sich die ehemalige Verwaltungsangestellte im Netzwerk »Peru: Umwelt und Klima« engagiert hat. Dort wird derzeit eine Informations- und Netzwerkveranstaltung für den 20. November vorbereitet. »So wollen wir auf die Klimakonferenz in Madrid aufmerksam machen, uns aber auch selbst vorbereiten und besser vernetzen. Da könnte ich gleich auf die Klage und auf die anstehenden Gutachtertermine in Huaraz hinweisen. So ein Thema darf uns einfach nicht durch die Finger flutschen«, sagt sie und macht sich eine Notiz im digitalen Kalender.
Autor: Knut Henkel ist freier Journalist, er lebt in Hamburg. Diesen Text recherchierte er in Peru.
Dezember 2019