Kommentar: Fokus Afrika - Die Chancen müssen nutzbar gemacht werden
29.09.2021 I Auch in den afrikanischen Ländern hat die Pandemie Digitalisierung und E-Commerce beschleunigt. Solange es keine Spielregeln und Konzepte gibt, die den regionalen Rahmen berücksichtigen, schwächt das Arbeitnehmer_innen und Gewerkschaften eher, meint Eric Manzi.

Kaum etwas hat die Art der Arbeit und das Leben der Menschen so sehr beeinflusst wie die technologischen Innovationen der digitalen Wirtschaft. Mit ihnen verändern sich traditionelle Beschäftigungsmodelle, die Art der Beschäftigung und Beschäftigungsquoten. Die Covid-19-Pandemie hat die Entwicklung beschleunigt und die Situation verschärft. In Sektoren wie Transport, Lieferdiensten, mobilen Bankdiensten ist die Nutzung von E-Commerce in ungeahnte Höhen geschnellt.
In Afrika wie auch global stehen der technologische Fortschritt und das Wachstum der digitalen Wirtschaft im Zusammenhang mit weiteren Treibern der Transformation – der Globalisierung, demografischen Veränderungen und Umweltveränderungen. Es entstehen neue Organisationsformen bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen.
Auf der einen Seite bietet die Entwicklung eine Vielzahl von Chancen für die Gesellschaft wie die Schaffung von Arbeitsplätzen, bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für bestimmte Berufe, ganze neue Möglichkeiten, sich zu qualifizieren, höhere Einkommen. Vor allem für die ärmeren Länder gibt es auf der anderen Seite erhebliche Hürden, diese Vorteile zu nutzen. Das hängt mit Mängeln in der lokalen Infrastruktur und unternehmerischen Ökosystemen zusammen, zum Teil auch mit der Funktionsweise der digitalen und globalisierten Wirtschaft und den dabei vorherrschenden Strukturen.
Hinzu kommt, dass in einer Arbeitswelt, die ohnehin von Prekarität und Informalität geprägt ist, immer mehr Beschäftigung über neue digitale Plattformen stattfindet. Die Plattformarbeiter_innen haben keinen abgesicherten Beschäftigungsstatus und sind in den meisten Fällen als Selbständige oder Unternehmer_innen deklariert. Sie können sich nicht auf die Mindeststandards für abhängig Beschäftigte berufen. Diese zwangsweise Neukategorisierung erschwert es den Plattformarbeiter_innen sich zu organisieren, um ihre Rechte und gute Arbeitsbedingungen zu verteidigen. Damit werden grundlegende Rechte unterhöhlt.
Die neuen Technologien können zwar Produktivität und Effizienz steigern, aber eben auch menschliche Arbeit ersetzen und soziale Ungleichheit verschärfen. Technologie ist jedoch nicht deterministisch. Die Potenziale müssen so genutzt werden, dass sie allen zugutekommen. Dafür braucht die zukünftige Arbeitsorganisation einen rechtlichen, institutionellen und sozialen Sicherungsrahmen, der all diesen Herausforderungen Rechnung trägt:
Die Arbeitnehmer_innen müssen bei der Entwicklung neuer Produktionsformen mitentscheiden, mitmachen, angehört und einbezogen werden können. Auch wer auf Plattformen arbeitet, muss sich organisieren und kollektive Maßnahmen ergreifen können. Dafür sind Gewerkschaften wichtiger denn je.
Aus der Perspektive der Arbeitsbeziehungen verändern digitale Instrumente und der zunehmende globale Arbeitsmarkt die Kommunikationskanäle zwischen Arbeitnehmer_innen und Arbeitgebern sowie die gewerkschaftliche Vertretung mit weitreichenden Auswirkungen. Hierzu bedarf es weiterer Reflexion.
Regierungen sind gefordert, die digitale Wirtschaft im engen Dialog mit anderen Akteur_innen zu gestalten, indem sie Spielregeln definieren. Alle Beteiligten müssen zusammenkommen, um gemeinsam zu entscheiden, wie sie das Potenzial der digitalen Wirtschaft nutzen, ihre Vorteile gerechter verteilen und die beteiligten Menschen in die Lage versetzen, wachsende Ungleichheiten zu bekämpfen.
Es ist international Konsens, dass die Kluft zwischen unzureichend vernetzten und hyperdigitalisierten Ländern weiter wächst, wenn jetzt nichts unternommen wird. Diese Kluft, aber auch die starke Konzentration in der digitalen Wirtschaft erfordern neue Richtlinien und Regulierungen, um eine global gerechte Verteilung der Gewinne sicherzustellen.
Aufgabe der Gewerkschaften ist es, zu kontrollieren, dass die neuen Technologien gerecht verbreitet werden. Sie müssen sicherstellen, dass Produktivitätsgewinne geteilt werden, sie müssen Politik und Gesetzgebung überwachen. Und sie müssen ihren Einfluss geltend machen, um allen einen einfachen und erschwinglichen Zugang zu neuen Technologien und dem Internet zu gewährleisten und sicherzustellen, dass alle die dazu notwendigen Fähigkeiten erwerben können.
In den afrikanischen Ländern, und insbesondere in den ärmeren Staaten geht es darum, nicht die Geschäftsmodelle der schneller entwickelten Volkswirtschaften zu kopieren, sondern eigene digitale Konzepte zu erarbeiten, die an lokale Kontexte und Grenzen angepasst sind. Nötig sind mehr Investitionen in Design und Entwicklung in von zukunftsträchtigen, Jobs schaffenden Bereichen. Das kann im ländlichen Raum der Agrarsektor sein oder der Bereich mobiler Geldtransfers wie das in Kenia entwickelte System M-Pesa, mit dem per Handy Waren bezahlt und Finanzgeschäfte gemacht werden können.
Der IGB Afrika fördert gewerkschaftliche Maßnahmen zur Organisierung der Arbeitnehmer_innen, hilft ihnen, ihre Rechte durchzusetzen, neue Ansätze zu verfolgen, Strategien in den Bereichen Organisierung, Beschwerden und sozialer Dialog im Einklang mit der neuen Normalität zu entwickeln.
Der Autor: Eric Manzi M. ist Generalsekretär des IGB Afrika