Lieferkettengesetz: Kampagne »Da müssen wir gegenhalten«
29.09.2021 I Nach dem Kampf für das deutsche Lieferkettengesetz denkt Frank Zach aus dem DGB-Bundesvorstand über eine große EU-Kampagne nach. Denn die Wirtschaftslobby habe sich bereits gegen eine gute europäische Regulierung in Stellung gebracht.
Nord | Süd news: Frank Zach, gerade vor Torschluss hat die große Koalition noch das Lieferkettengesetz verabschiedet. Was wird sich konkret in Produzentenländern wie Bangladesch oder Indien verbessern?
Frank Zach: Hoffentlich werden dort künftig die Menschenrechte stärker geachtet und Firmen, die dort einkaufen, erhöhen die Anforderungen an direkte und indirekte Zulieferer. Unternehmen haben jetzt die Pflicht, ihre Wertschöpfungsketten zu überprüfen. Das ist neu. Wie es sich auswirken wird, wird sich zeigen.
Für die Gewerkschaften birgt das Gesetz riesengroße Herausforderungen?
Zukünftig werden sich Betriebsrät_innen auch mit den Lieferketten in ihren Unternehmen befassen. Da gibt es jetzt einen großen Informationsbedarf, dafür müssen wir unsere internationalen Netzwerke noch enger knüpfen als bisher. Wir brauchen direkte Informationen über die Lage von Menschenrechten und Arbeit auf der Welt.
War das einigen Gewerkschafter_innen auch zu viel?
Nein, ich habe keinen Widerstand wahrgenommen, überhaupt nicht. Im Gegenteil, es gibt schon Anfragen von Betriebsräten, wie man jetzt mit dem Gesetz umgeht. DGB, Verdi, IG-Metall haben die Initiative Lieferkettengesetz direkt unterstützt, aus allen Gewerkschaften heraus wurden Gespräche mit Parlamentariern geführt, viele Gesamtbetriebsratsmitglieder haben sich in ihren Unternehmen für das Gesetz ausgesprochen.
Kann man mit dem Erreichten rundum zufrieden sein?
Nein. Wir wollten, dass das Gesetz nicht nur für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitende gilt. Auch kleinere Firmen sind global unterwegs. Außerdem wurde den Betroffenen der Zugang zu deutschen Gerichten nicht erleichtert.
Ist der Zugang der Betroffenen zu den deutschen Gerichten nicht zentral?
Da bin ich eher vorsichtig. Es ist ja nicht so, dass die Menschen in Asien oder Afrika gleich die Gelben Seiten in der Hand haben und beim zuständigen Gericht anrufen, wenn es zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Das Lieferkettengesetz soll präventiv wirken. Wenn die Behörden es kontrollieren und durchsetzen, wird es Wirkung entfalten. Aber natürlich: Wenn Arbeiter_innen ein Recht haben, sollten sie es auch vor Gericht durchsetzen können.
Die Gewerkschaften haben viel Energie in den Gesetzesprozess gelegt – hat sich das gelohnt?
Auf jeden Fall. Früher waren sogenannte faire Lieferketten Thema für einen Info-Stand am Rande eines Kirchentags. Wir haben es in die Mitte der Gesellschaft getragen. Außerdem haben wir innerhalb der Initiative Lieferkettengesetz viel voneinander gelernt. Das war ja eines der größten Bündnisse der Zivilgesellschaft zu einem Thema, das es je gegeben hat. Die Zusammenarbeit war manchmal streitbar, immer konstruktiv und vor allem spannend. NGO aus den Bereichen Umwelt, Menschenrechte, Kirche, Entwicklung und die Gewerkschaften haben an einem Strang gezogen.
Was haben die Gewerkschaften von den NGOs gelernt?
Wie sie Kampagnen organisieren, öffentliches Interesse wecken, dafür wirbeln und bohren. Wie sie die Öffentliche Meinung beeinflussen, weil sie sich als Organisation schon lange glaubhaft für Menschenrechte einsetzen. Das können wir natürlich nicht eins zu eins übernehmen, wir sind keine Menschenrechtsorganisation, sondern kümmern uns erstmal um Arbeitnehmer_inneninteressen in Deutschland. Dafür haben wir einen besseren Zugang zu Parlamentarier_innen oder Ministerien, das konnten wir einbringen. Gerade die Vielfalt der Perspektiven war fruchtbar. Das hat natürlich auch immer etwas mit Menschen zu tun, aus den über 120 Mitgliedsorganisationen haben letztlich einige wenige in einem kleinen Trägerkreis aus 18 Organisationen zusammengearbeitet. Dort passte es auch menschlich.
Werden die Organisationen weiter zusammenarbeiten?
Wir fragen uns gerade, ob wir eine gemeinsame Kampagne für Europa machen. Wir wären ja dumm, wenn wir die Energie und Kompetenz, die wir erarbeitet haben, nicht nutzen. Die Wirtschaftslobby hat sich schon gegen eine starke und gute Regulierung auf europäischer Ebene aufgestellt, da müssen wir gegenhalten.
Die EU-Kommission will ihr Lieferkettengesetz im Oktober vorlegen – brauchen wir das in Deutschland jetzt noch?
Neben Deutschland hat Frankreich ein umfassendes Lieferkettengesetz. In den Niederlanden gibt es Regelungen zu Kinderarbeit. Es droht ein Flickenteppich, insofern ist eine europäische Regulierung klug. Sie könnte das deutsche Gesetz zudem verbessern: Die EU nimmt bislang auch kleinere Unternehmen ab 250 Beschäftigte auf und will den Zugang zu europäischen Gerichten erleichtern. Daran müsste sich Deutschland dann anpassen.
Frank Zach ist in der Bundesvorstandsverwaltung des DGB der Ansprechpartner für Internationale Gewerkschaftspolitik und Gewerkschafts- und Menschenrechte. Er hat die Initiative Lieferkettengesetz mit auf den Weg gebracht.
Das Interview führte Heike Holdinghausen
Weiterlesen: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw23-de-lieferkettengesetz-845608