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Bild entfernt.Einen der größten Kritikpunkte von ExpertInnen am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich ausgeräumt. Entgegen seinem Wortlaut soll das Gesetz nach Ansicht des Gerichts auch auf Kündigungen anwendbar sein.

 

Schon die EU hatte Deutschland heftig dafür kritisiert, dass die Anti-Diskriminierungsrichtlinie 2000/78EG des Rates vom 27.11.2000 mit dem 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht weitgehend genug umgesetzt worden sei. Denn das AGG lässt in § 2 Abs. 4 AGG ausdrücklich den Kündigungsschutz außen vor und verweist auf die Vorschriften des KSchG. Dabei heißt es in Art. 3 Abs. 1 c) der Richtlinie wörtlich:

"...gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen...in Bezug auf...die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;..."

- EU stieß mit Kritik bei Bundesregierung auf taube Ohren -

Die Bundesregierung hatte sich bisher stur gestellt und trotz Aufforderung der EU nach Nachbesserung keinen Änderungsbedarf für das AGG gesehen . Schließlich reiche das KSchG aus, um der Anti-Diskriminierungsrichtlinie Rechnung zu tragen, hatte sie argumentiert.

Das Bundesarbeitsgericht zeigte sich hier offenbar einsichtiger und setzte sich mit seinem Urteil vom 06.11.2008 klar über den Wortlaut des § 2 Abs. 4 AGG hinweg. "Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§§ 1 - 10 AGG) finden im Rahmen des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz Anwendung", heißt es in der Pressemitteilung Nr. 87/08 des Bundesarbeitsgerichts .

- Kläger verlor mit seinem Anliegen -

Dem Urteil hatte ein Fall zugrundegelegen, der leider für den Betroffenen nicht glücklich ausgegangen ist. Ein 51jähriger Karosseriefacharbeiter aus einem Automobilzuliefererunternehmen war im September 2006 offenbar der Krise in der Automobilindustrie zum Opfer gefallen. Wegen mangelhafter Auslastung entließ das Unternehmen im Rahmen eines Interessenausgleichs 619 MitarbeiterInnen, die dort namentlich genannt wurden (Vorsicht, BetriebsrätInnen bei Namenslisten, hier ein Artikel dazu). Der Auswahl der zu Kündigenden lag eine Tabelle mit Sozialpunkten wie Lebensalter und anderen Kriterien zugrunde. Die Punkte nach Lebensalter erfolgten wiederum nach Kategorien, die jeweils 10 Jahrgänge umfassten (25-35 Jahre usw.).

Der Kläger sah in diesem Punktesystem eine unzulässige Altersdiskriminierung nach den §§ 1, 2, 8, 10 AGG, so dass die Frage der Anwendbarkeit des AGG auf den Kündigungsschutz beim BAG auf den Tisch kam. Obwohl das Gericht jedoch die grundsätzliche Anwendbarkeit des AGG bejahte, hielt es das Punktesystem mit der Untergruppierung der Jahrgänge sowie die durchgeführte Sozialauswahl für rechtmäßig.

Die Zuteilung von Sozialpunkten nach dem Lebensalter verbunden mit anderen sozialen Kriterien sei zwar eine an das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung, so das Gericht. Diese sei aber nach § 10 Satz 1 AGG durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. "Die Zuteilung von Alterspunkten führt mit einer hinnehmbaren Unschärfe zur Berücksichtigung von Chancen auf dem Arbeitsmarkt und im Zusammenspiel mit den übrigen sozialen Gesichtspunkten (Betriebszugehörigkeit, Unterhalt, Schwerbehinderung) nicht zu einer Überbewertung des Lebensalters. Die Bildung von Altersgruppen wirkt der Überalterung des Betriebs entgegen und relativiert damit zugleich die Bevorzugung älterer Arbeitnehmer" heißt es in der Pressemitteilung zum Urteil v. 6.11.2008, 2 AZR 701/07.

 

Textquellen:

 

Pressemitteilung des BAG Nr. 87/08 zum Urteil v. 6.11.2008, 2 AZR 701/07

 

Richtlinie 2000/78EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf

 

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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in der betrieblichen Praxis

 

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