Dreckige Geschäfte: Illegal geschürftes Gold landet bei italienischem Unternehmen
Ein Text unserer Partnerorganisation Repórter Brasil
03.05.2022 I Im indigenen Land der Kayapó im Süden des Bundesstaates Pará wird massenweise Gold illegal geschürft. Ermittlungen der Bundespolizei zeigen nun, dass das Gold auch in die Produktion eines der größten Edelmetallproduzenten Europas fließt. Es handelt sich um ein italienisches Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Schmuckstücken wie Eheringen und Goldbarren spezialisiert hat. Diese werden in den Tresoren schweizerischer, englischer oder amerikanischer Banken gelagert.
Das Metall stammt aus geschützten Gebieten in Amazonien, die zuvor durch Betrug „legalisiert“ wurden. Der ausländische Käufer heißt Chimet SPA Recuperadora e Beneficiadora de Metais, die italienische Bezeichnung für Química Metalúrgica Toscana. Der Branchenriese steht in Italien auf Platz 44 der umsatzstärksten Unternehmen. Im Jahr 2020 verzeichnete das Unternehmen den höchsten Umsatz seiner Geschichte: mehr als 3 Milliarden Euro, was einem Anstieg von 76 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Goldrausch in Amazonien
In Amazonien gibt es tausende garimpos, illegale Goldminen. Glücksritter aus dem ganzen Land zieht es auf der Suche nach den glänzenden Körnern in den Regenwald. Der Goldrausch in Brasilien hängt auch mit der steigenden Nachfrage auf dem Weltmarkt zusammen. Laut einer Studie des Escolhas-Instituts exportierte Brasilien alleine im Jahr 2020 Gold im Wert von mehr als vier Milliarden Euro. Während sich die Weltgemeinschaft zunehmend für den Ursprung von brasilianischen Agrarprodukten interessiert und sogar Boykotte in Betracht gezogen werden, steht das schmutzige Gold in der Debatte um Brasiliens Umweltpolitik nur selten im Fokus.
Aktionen gegen Goldsucher werden immer seltener, auch weil die Kontrollbehörden kaum noch Mittel zur Verfügung haben. Denn mit Bolsonaro regiert ein Freund der Industrie. Für ihn sind die garimpeiros hartarbeitende Männer, die Respekt verdienen. Regelmäßig besucht er ihre Gebiete, verspricht die Goldminen zu legalisieren, erzählt stolz, dass sein Vater selbst einmal auf Goldsuche war. So ist es kein Wunder, dass der illegale Bergbau seit seinem Amtsantritt förmlich explodiert ist. Dabei dringen Goldsucher in die entlegensten Ecken Amazonies vor, oft auch in indigene Territorien und Naturschutzgebiete. Im Urwald hinterlassen sie gerodete, unfruchtbare Kraterlandschaften. Und mit den Goldminen kommen weitere Probleme. Drogen, Gewalt, Prostitution und zuletzt auch das Corona-Virus.
Regelmäßig gibt es gewaltsame Konflikte mit Indigenen. Um den Goldstaub zu binden, setzen Goldschürfer Quecksilber ein. Die Reste landen im Fluss und vergiften die Fische, die von den Indigenen gegessen werden. Das hochtoxische Schwermetall kann zu lebenslangen Nervenschäden führen und Forscher*innen konnten es selbst in den weit entfernten Gemeinden nachweisen.
Um den Namen des italienischen Raffineurs herauszufinden, ermittelte die Bundespolizei gegen eine kriminelle Organisation, die des illegalen Bergbaus beschuldigt wird. Die Organisation besteht aus Dutzenden Personen. Sie operieren im Süden des Bundesstaates Pará und unterhalten Verbindungen zu Unternehmen in São Paulo, Goiás und Rio de Janeiro, die ihrerseits das Metall "waschen" (durch Betrug legalisieren) und exportieren.
Dieses komplexe System wurde im Oktober 2021 im Rahmen der Operation „Terra Desolata“ aufgedeckt. Es wurden 12 Haftbefehle und 62 Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse ausgestellt sowie umgerechnet rund 94 Millionen Euro auf den Konten der Beschuldigten blockiert. Drei Monate nach der Operation wurden alle Verhafteten jedoch wieder freigelassen.
Chimet ging in den 1970er Jahren aus dem Unternehmen Unoaerre hervor, einem anderen Branchenführer in Italien, der auf eine fast hundertjährige Geschichte zurückblickt. Laut eigenen Angaben stellt das Unternehmen 70 Prozent der in Italien verkauften Trauringe her. Beide Firmen werden derzeit von derselben Familie kontrolliert: den Squarcialupis. Sitz der Unternehmen ist Arezzo, eine Stadt in der Toskana mit einer tausendjährigen Tradition der Schmuckherstellung.
Chimet präsentiert sich auf seiner eigenen Website als "umweltfreundliches" Unternehmen, das Nachhaltigkeitszertifikate "für sein verantwortungsbewusstes Handeln" vorweisen könne. Gegenüber Repórter Brasil erklärte die Firma, die Metalle zusammen mit Dokumenten zu kaufen, die ihre legale Herkunft bescheinigen.
"Den fraglichen Käufen lagen Unterlagen bei, die die legale Herkunft des Metalls belegen, wie sie sich aus den Rechnungen und Ausfuhrgenehmigungen des Lieferanten sowie aus den brasilianischen oder italienischen Zolldokumenten entnehmen können", heißt es in einer Erklärung. Das Unternehmen räumte jedoch ein, dass der Handel und die Ausfuhr von Mineralien aus Hochrisikogebieten Risiken bergen könnten.
Fragwürdige Herkunft
Brasilien ist in diesem Fall das "Hochrisikogebiet". Die Herkunft des Goldes ist leicht zu fälschen und die Kontrollen durch die Nationale Bergbauvereinigung (ANM) und andere Behörden sind schwach. Die Rechnungen, in denen die Herkunft des Erzes angegeben wird, werden auf Papier ausgestellt und vom Verkäufer ausgefüllt. Bei der Angabe des Ortes, an dem das Metall abgebaut wurde, kann einfach gelogen werden. "Illegales Gold ist leider eine Realität auf dem europäischen Markt", sagt Nunzio Ragno, Präsident von A.N.T.I.C.O., dem italienischen Verband zum Schutz des Goldsektors.
Die Ermittlungen der Bundespolizei zeigen auch, dass Chimet das Gold von der brasilianischen Firma CHM kauft, zu dem es eine seit Jahrzehnten bestehende Partnerschaft unterhält. Vermittler ist der Italiener Mauro Dogi, der mit seinem Sohn Giacomo in Brasilien lebt. Beide sind Partner von CHM und werden mit illegalem Goldhandel in Verbindung gebracht.
Sie werden von den Ermittlern als "die Hauptempfänger von illegalem Gold aus dem Land der Indigenen" bezeichnet.
Sie werden von den Ermittlern als "die Hauptempfänger von illegalem Gold aus dem Land der Indigenen" bezeichnet. Mauro Dogi war einst Angestellter von Chimet in dessen Fabrik in Arezzo. "Es wird klar, dass der Name des Unternehmens CHM eine Abkürzung von Chimet ist", heißt es in dem Ermittlungsbericht der Bundespolizei, die von der Tageszeitung O Estado de S.Paulo veröffentlicht und von Repórter Brasil eingesehen wurde.
Aus den Unterlagen der Bundespolizei geht auch hervor, dass Chimet umgerechnet 317 Millionen Euro an CHM do Brasil für den Erwerb von Metallen zahlte. Das Unternehmen behauptet, dass die Menge des gekauften Goldes im Verhältnis zur Gesamtmenge - 70 Tonnen -, die jährlich in den Fabriken der Gruppe verarbeitet wird, irrelevant sei.
Die CHM wiederum kaufte das Gold von der Cooperouri (Kooperative der Goldschürfer und Minenbesitzer von Ourilândia und Region). Laut der Bundespolizei soll das Gold auf indigenem Land geschürft worden sein. Als Beweis führt die Polizei an, dass das von Mauro Dogi gegründete Unternehmen über einen Zeitraum von einem Jahr (zwischen 2019 und 2020) 25 Einzahlungen in Höhe von umgerechnet 2,34 Millionen Euro an die Kooperative durchführte.
Transport mit Privatflügen
Neben der Gewinnung des Erzes auf illegalem Land erwirbt die Cooperouri nach Angaben der Bundespolizei das Gold auch von illegal tätigen Goldsuchern und Zwischenhändlern, die in der Region aktiv sind. Zwischen September 2015 und September 2020 wurden umgerechnet fast 50 Millionen Euro an diese Lieferanten überwiesen. CHM ist auch als Exporteur von illegalem Gold tätig. Die Ermittlungen zeigen, dass die Ausfuhr "mit Privatflügen, ohne Kenntnis der zuständigen Behörden und ohne das Integrierte Außenhandelssystem (Siscomex) zu durchlaufen" erfolgt.
Auf Nachfrage erklärte die Bundessteuerbehörde gegenüber Repórter Brasil, dass "wenn es sich um eine illegale Ausfuhr handelt, keine Notwendigkeit besteht, diese im Siscomex zu registrieren, da sie sich den staatlichen Kontrollen entzieht" und dass die Bundessteuerbehörde und die Bundespolizei "bei der Bekämpfung von Schmuggel und illegalem Goldhandel zusammenarbeiten".
Neben der Gewinnung des Erzes auf illegalem Land erwirbt die Cooperouri nach Angaben der Bundespolizei das Gold auch von illegal tätigen Goldsuchern und Zwischenhändlern.
Chimet ließ durch seinen Anwalt Roberto Alboni mitteilen, dass Mauro Dogi zwischen 1990 und 1995 fünf Jahre lang als Arbeiter in der italienischen Zentrale arbeitete. Das Unternehmen bestritt die in den Ermittlungen dargelegten Vorwürfe: Es sagte, dass seine Beziehung zu CHM "vier bis fünf Jahre" dauerte und im vergangenen Oktober nach der Nachricht über die von der Bundespolizei durchgeführte Operation unterbrochen wurde (und nicht Jahrzehnte dauerte, wie in den Ermittlungsdokumenten angegeben).
In einer Erklärung stritt CHM den Erwerb von Gold ab, das auf indigenem Land geschürft worden sein soll. Die Käufe seien von Kooperativen getätigt worden, die in der Lage sind, in ihren jeweiligen Gebieten Gold abzubauen, und die stets die rechtlich vorgeschriebenen und erforderlichen Unterlagen für die Ausübung ihrer Tätigkeit vorgelegt hätten. Das Unternehmen bestätigte, dass das erworbene Erz für ausländische Konzerne bestimmt sei. Zudem erklärte es, dass "alles auf dem Inlandsmarkt gekaufte Gold bei der Ausfuhr von der Bundessteuerbehörde und der Bundespolizei überprüft wird". Die Tätigkeit des Unternehmens ist nach Angaben seiner Anwälte vorübergehend ausgesetzt.
Repórter Brasil hat versucht, mit dem Vorstand der Cooperouri zu sprechen. Der Anwalt, der für die Verteidigung der Kooperative zuständig ist, hat bis zur Veröffentlichung dieses Textes jedoch nicht auf die Nachfragen reagiert.
Der Patron von Badia al Pino
Der Gründer von Chimet, Sergio Squarcialupi, der früher Vorsitzender von Unoaerre war, wird in der toskanischen Presse als "il patron di Badia al Pino" (der Patron von Badia al Pino) bezeichnet. Das ist eine Anspielung auf einen Stadtteil Arezzos, in dem sich eine der Produktionsstätten des Unternehmens befindet. Seine Tochter, Maria Cristina Squarcialupi, ist derzeit Präsidentin des Verwaltungsrats des Schmuckherstellers Unoaerre.
Gegen die Familie Squarcialupi, insbesondere gegen den Patriarchen Sergio, ermittelte die Staatsanwaltschaft Arezzo seit 2008 in einem Fall, in dem Beamte beschuldigt wurden, das Unternehmen mit gefälschten Umweltgenehmigungen begünstigt zu haben. Der Gründer von Chimet wurde wegen mehrerer Straftaten verurteilt, aber die Urteile wurden 2017 vom Obersten Kassationsgerichtshof (entspricht dem Obersten Gerichtshof) aufgehoben.
Diejenigen, die sich gegen die Gruppe wehrten, erklären, sie sei ein zu starkes und mächtiges Konglomerat. Für die Verteidiger der Familie, wie den Anwalt Roberto Alboni, war das Geschehen eine von Fehlern geprägte juristische Verfolgung. "Es war ein schmerzhafter Prozess, der Sergio Squarcialupi sogar seine Gesundheit kostete. Aber das Unternehmen hatte die Möglichkeit zu zeigen, dass nichts falsch gelaufen ist.“
Auf Nachfrage erklärte Unoaerre, es habe noch nie Gold direkt aus Brasilien gekauft. In seinem Nachhaltigkeitsbericht 2020 gibt das Unternehmen an, dass es den größten Teil seines Einkaufs sowie der Goldraffination mit dem Partner Chimet abwickelt, der in demselben Dokument als ein Unternehmen beschrieben wird, das die Kriterien der Zertifizierung erfüllt. Das Gold habe einen "legitimen Ursprung" und sei "konfliktfrei".
Eine der Schwierigkeiten ist die Tatsache, dass das brasilianische Gold vor der Ausfuhr in Brasilien "gewaschen", das heißt "legalisiert", wird.
Die Guardia di Finanza, eine der für Finanz- und Wirtschaftsfragen in Italien zuständigen Polizeibehörden, erklärte auf Anfrage von Repórter Brasil, dass die Anschuldigungen der brasilianischen Bundespolizei Anlass für eine Untersuchung durch die italienischen Behörden sein könnten. Im Moment gäbe es aber noch keine Ermittlungen.
Eine der Schwierigkeiten ist die Tatsache, dass das brasilianische Gold vor der Ausfuhr in Brasilien "gewaschen", das heißt "legalisiert", wird. Da es ein Dokument gibt, das die angebliche Legalität des Metalls bescheinigt, sind die brasilianischen Behörden und nicht die italienischen Behörden für das Problem zuständig.
Sowohl Chimet als auch Unoaerre verfügen über Good Practice-Zertifikate von Organisationen wie dem Responsible Jewellery Council mit Sitz in London. Dieser erarbeitet Richtlinien für die Branche, um die Legalität des Goldes und die Wahrung der Menschenrechte, auch während der Gewinnung, zu gewährleisten. Sie unterliegen nach wie vor einer vom Europäischen Parlament im Jahr 2017 verabschiedeten Verordnung. Diese schreibt eine obligatorische Kontrolle der Herkunft von Edelmetallen vor, die aus Ländern außerhalb der Europäischen Union stammen und von einem in Europa ansässigen Unternehmen erworben werden.
Autoren: Lucas Ferraz (aus Italien) und Guilherme Henrique (aus São Paulo)
Übersetzung/Redaktion: Niklas Franzen
Zum Weiterlesen:
https://www.spektrum.de/news/goldrausch-am-amazonas-der-wahre-preis-des-goldes/1923763
https://www.zeit.de/2021/37/illegale-goldminen-blutgold-brasilien-indigene-voelker-schmuck
https://www.riffreporter.de/de/international/illegale-goldsucher-yanomami
Es handelt sich um eine kontextualisierte Übersetzung mit zusätzlichen, erklärenden Informationen. Eingeschobene Absätze sind von der Redaktion erstellt. Der Originaltext erschien am 10.02.2022.