Energiewende: Gewerkschaften fordern gerechten Strukturwandel
Polen ist 2018 Gastgeber der UN-Klimakonferenz, einem Land, das auf Kohlestrom setzt. Daniel Schneider, Referent für Umwelt- und Klimapolitik im DGB-Bundesvorstand, spricht sich für einen Aktionsplan für die Beschäftigen in der Region aus. Denn: Nur wenn der Strukturwandel gerecht abläuft und es Perspektiven gibt für die Menschen, kann die Energiewende erfolgreich sein.
Die Klimakonferenz 2018 in Kattowitz in Polen soll den Durchbruch bringen, um das Klimaabkommen von Paris umzusetzen. Hat die diesjährige Konferenz in Bonn gute Vorarbeit geleistet?
Daniel Schneider: Eine zentrale Aufgabe dieser „Arbeitskonferenz“ war die Erstellung eines Regelwerks zum Klima-Reporting. Hierbei geht es vor allem darum, in einem transparenten Prozess Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen nationalen Minderungsbeiträgen der Vertragsstaaten sicher zu stellen. Ohne diese gemeinsame Grundlage ist es kaum möglich, Aussagen darüber zu treffen, ob die jeweiligen zugesagten Minderungsbeiträge (NDCs) dafür ausreichen, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Sehr positiv ist für die internationale Gewerkschaftsbewegung die Tatsache, dass die Forderung nach einem gerechten Strukturwandel und guter Arbeit im Rahmen der Umsetzung des Paris-Abkommens immer stärkeres Gehör und Unterstützung seitens der Zivilgesellschaft und der Regierungen findet. Die Frage, wie Klimapolitik mit Strategien für einen gerechten Strukturwandel verbunden werden kann, um eine Perspektive für die Beschäftigten in besonders betroffenen Branchen und Regionen zu bieten, war auf dieser Klimakonferenz ein intensiv und viel diskutiertes Thema. Für die Gewerkschaften ist ein zentraler Punkt, dass sich die Regierungen dazu verpflichten, die Grundsätze eines gerechten Strukturwandels auch in konkrete politisch-messbare Instrumente umzusetzen.
Fidschi hatten den Vorsitz bei der diesjährigen Klimakonferenz inne – und führte neue Verhandlungsmodelle ein. Ein guter Vorschlag?
Ausdrücklich begrüßt wird von der internationalen Gewerkschaftsbewegung die Schaffung des sogenannten Talanoa-Dialogs. Talanoa ist ein verbreitetes Konzept auf Fidschi und im pazifischen Raum. Es bezeichnet einen Austausch, der inklusiv und transparent ist, in dem Menschen sich gegenseitig zuhören und die Sichtweise des Gegenübers respektieren - für Lösungen zum Wohle aller. Zur Vorbereitung der COP24 in Kattowitz soll der Talanoa-Dialog unter Führung der alten und der neuen Präsidentschaft Beiträge aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenfassen und eine Bestandsaufnahme zur Erreichung des 2-Grad-Ziels machen. Damit sollen die Vertragsstaaten dazu ermuntert werden, noch ehrgeiziger zu werden und die Klimalücke der gesteckten Ziele zu schließen.
Welche Bedeutung hat dieser Aspekt mit Blick auf die nächste Klimakonferenz in Polen – einem Land, das stark auf Kohleverstromung setzt?
Die COP 24 findet in einer Region statt, die in Zukunft besonders stark durch den Strukturwandel betroffen sein wird. Die internationale Gewerkschaftsbewegung fordert daher vor der COP24 ein Highlevel-Forum, auf dem sich Politiker gemeinsam mit Vertretern der Ministerien und der Gewerkschaften über einen „Kattowitzer Aktionsplan für einen gerechten Strukturwandel“ in der Region verständigen, („Katowice plan of action for Just Transition") um den Beschäftigten dort eine Perspektive aufzuzeigen. Denn nur wenn der Strukturwandel gerecht abläuft und Perspektiven für die betroffenen Regionen, Branchen und Beschäftigten und ihre Gemeinschaften bietet, kann er auch erfolgreich sein.
Auf dem Bonner Klimagipfel gaben einige Staaten bekannt, dass sie sich zu einem Anti-Kohle-Bündnis zusammenschließen. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?
Grundsätzlich ist es richtig und wichtig, dass Staaten auf dem Weg in eine kohlenstoffarme Wirtschaft zusammenarbeiten und Erfahrungen austauschen. Das gilt einerseits für Industrieländer in ihrem Bemühen zur CO2-Minderung, aber auch für Entwicklungs- und Schwellenländer beim Aufbau einer regenerativen Energieversorgung. Man muss jedoch auch berücksichtigen: für Länder wie Frankreich oder Großbritannien mit einem geringen Anteil von Kohle am nationalen Strommix und einem hohen Anteil von Strom aus Atom- oder Gaskraftwerken ist es relativ einfach, ein Ausstiegsdatum aus der Kohleverstromung im Jahr 2030 festzulegen.
Die Bundesregierung hat sich dem Bündnis nicht angeschlossen.
Deutschland wird richtigerweise aus der Atomkraft aussteigen. Dadurch werden aber Kohlekraftwerke noch einige Jahre für Versorgungssicherung und bezahlbare Energiepreise notwendig sein. Dies ist insbesondere auch für die Industrie in Deutschland wichtig, die auf eine verlässliche Versorgung mit bezahlbarer Energie angewiesen ist. Nicht alle der 18 Länder der so genannten „Powering Past Coal Alliance“ müssen eine Schwerindustrie versorgen. Daher müssen in Deutschland zunächst im Rahmen der Energiewende etwa mit dem Netzausbau und der Schaffung von Speichertechnologien Voraussetzungen für die Dekarbonisierung geschaffen werden. Darüber hinaus müssen die erneuerbaren Energien weiter ambitioniert ausgebaut werden. Denn durch die geplante Nutzung von Strom für Elektromobilität und Heizungen wird der Bedarf nach CO2-freiem Strom steigen. Hierfür müssen zunächst die politischen Weichen gestellt und Innovationen vorangetrieben werden. Es macht daher für Deutschland wenig Sinn, sich auf eine konkrete Jahreszahl für einen Kohleausstieg festzulegen.
Aus Ihrer Sicht: Welche Schritte müssen nun angegangen werden?
Der DGB steht gemeinsam mit seinen Mitgliedsgewerkschaften zu dem in Paris festgelegten Ziel, die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Um dieses Ziel und auch die nationalen Ziele zu erreichen, muss jedoch die Energiewende in Schwung gebracht werden. Dafür brauchen wir Planungs- und Investitionssicherheit für die Energiewende durch verlässliche Ziele. Mit der Energiewende geht Deutschland einen konsequenten Weg, um die Energieversorgung auf erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz umzustellen. Um die Klimaziele zu erreichen, ist eine schrittweise Reduzierung der Verbrennung fossiler Brennstoffe in allen Sektoren erforderlich. Auf dem Weg zu den gesetzten Langfristzielen sollten Zwischen- und Sektorenziele definiert werden. Dabei ist Kohärenz zwischen den Zielen der verschiedenen administrativen Ebenen unverzichtbar. Bestehende Pläne wie der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz, die Energieeffizienzstrategie Gebäude und der Klimaschutzplan 2050 müssen aufeinander abgestimmt fortgeschrieben werden und europäischen wie internationalen Zielen entsprechen.
Welche Rolle spielt die Industrie?
Die Energiewende ist und bleibt eine richtige politische Entscheidung. Die Umsetzung kann aber nicht alleine dem Markt überlassen werden, sondern bedarf einer aktiven Energie-, Industrie- und Strukturpolitik. Damit wird sichergestellt, dass die Chancen besser genutzt und Risiken stärker minimiert werden können. Wohlstand und Dekarbonisierung sind keine Widersprüche. Wir brauchen mehr qualitatives Wachstum. Grundlage hierfür ist eine zukunftsfähige industrielle Basis, die in Deutschland bei energieintensiven Grundstoffindustrien beginnt und auf vollständigen Wertschöpfungsketten basiert. Eine starke Industrie kann als Problemlöser einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft leisten. Dabei ist insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit industrieller Wertschöpfung zu stärken.
Welche Chancen sehen Sie für den Arbeitsmarkt?
Last but not least brauchen wir eine Energiewende-Politik für neue Beschäftigung und gute Arbeit. Im Mittelpunkt einer gerechten Strukturentwicklung („Just-Transition-Strategie“) muss auch die Frage stehen, wie die Energiewende zu einem Beschäftigungsaufbauprogramm entwickelt werden kann. Dazu bedarf es einer klugen Innovations-, Investitions- und Qualifizierungsoffensive. Klima- und energiepolitische Langfristziele sollten deshalb auch mit beschäftigungspolitischen Zielen (Beschäftigungsaufbau, gute Arbeit, Tarifbindung) verbunden werden. Bei den notwendigen Veränderungen müssen Strukturbrüche zulasten von Beschäftigten verhindert werden.