Fresenius in die Pflicht nehmen
Nach Drohungen gegen Gewerkschafter*innen in Kolumbien: Fresenius-Mitarbeiterin fordert Schutz.
10.09.2024 I In der Union Alliance haben sich gut 50 Gewerkschaften weltweit zusammengeschlossen, um Arbeits- und Gewerkschaftsrechte durchzusetzen.
Trotz der Verhandlungen in den vergangenen Jahren gibt es immer noch keine Einigung. Doch immerhin: Für November 2024 ist ein Gespräch zwischen dem weltweit aktiven Gesundheitskonzern Fresenius SE und dem Gewerkschaftszusammenschluss Fresenius Global Union Alliance geplant. Und die Gewerkschaften hoffen, ein entsprechendes Treffen mit der Fresenius-Tochter Medical Care (FMC) anberaumen zu können.
Ziel der Kooperation von weltweit mehr als 50 Gewerkschaften unter dem Dach der Gewerkschaftsverbände Uni Global Union, Public Services International (PSI) und IndustriAll ist es, für die knapp 317.000 Beschäftigten
des Fresenius Konzerns ein globales Rahmenabkommen zu schließen, das ihre Arbeitsbedingungen verbessert und ihr Recht auf gewerkschaftliche Vertretung garantiert. Seit 2019 ist man an der Sache dran.
Wie bitter nötig solch ein Abkommen ist, zeigt die Lage in Kolumbien und auf den Philippinen. In Kolumbien wurden zwei führende Gewerkschafter*innen mit dem Tode bedroht, die sich 2021 in Tarifverhandlungen mit den Fresenius-Kliniken im Land befanden. Erst nachdem sich die deutsche Gewerkschaft ver.di mit einem offenen Brief an die Konzernspitze gewandt hatte und der Fall von den Medien aufgegriffen wurde, reagierte
das Management und stellte sich schützend vor die Gewerkschafter*innen. In seinem Bericht zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vom Frühjahr 2024 greift Fresenius SE den Fall dann auch tatsächlich auf und bezeichnet die Missachtung der Koalitionsfreiheit in Kolumbien als „prioritäres Risiko“.
Auf den Philippinen wiederum stellten Inspektor*innen in Dialysezentren des Konzerns Verstöße gegen das Arbeitsrecht sowie gegen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften fest. Darüber hinaus hatte das Unternehmen mit einer Richtlinie das Recht der Beschäftigten auf Vereinigungsfreiheit untergraben, unter anderem, indem es die Mitgliedschaft in anderen Organisationen eingeschränkt hatte.
Gewerkschafter*innen beklagen in beiden Fällen gleichermaßen, dass Fresenius erst tätig werde, wenn der Konzern dazu gezwungen sei – etwa aus politischen oder aus Reputationsgründen. „Fresenius FMC und Fresenius SE müssen mehr tun, als nur auf Probleme in Hochrisikoländern wie Kolumbien und den Philippinen zu reagieren“, fordert Alan Sable, bei Uni Global Union verantwortlich für den Pflegesektor. „Sie sollten globale Vereinbarungen mit Gewerkschaften unterzeichnen, um Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen proaktiv zu verhindern.“
Mitte Mai hatten Gewerkschafter*innen vor den Jahreshauptversammlungen von FMC und SE kritisiert, dass beide Unternehmen, die Standards für eine angemessene menschenrechtliche Sorgfaltspflicht „nicht vollständig“ einhalten. „Die Vorfälle in Kolumbien sind Fresenius
seit Jahren bekannt, und dennoch sind unsere Genossinnen und Genossen weiterhin täglich diesen Rechtsverletzungen ausgesetzt“, kritisiert David Boys, stellvertretender Generalsekretär der PSI und Vertreter der Fresenius Global Union Alliance. Boys forderte Fresenius auf, „unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation zu verbessern“. Erst zu Beginn des Jahres hatte die Friedrich-Ebert-Stiftung erneut festgestellt, dass Kolumbien eines der gefährlichsten Länder der Welt für Gewerkschafter*innen ist, auch in den vergangenen Jahren wurden immer wieder Arbeitsrechtsaktivist*innen ermordet.
Dass es nicht trivial ist, dass sich das Unternehmen vor seine Beschäftigten und gewerkschaftlich Aktive stellt, zeigt das Beispiel aus Kolumbien, auf das ver.di aufmerksam gemacht hatte. Nachdem der Konzern die Morddrohungen gegen Claudia López und Julian Parra verurteilt hatte, konnte zu-mindest López unbehelligt ihrer Arbeit nachgehen. Parra floh nach Spanien, wo ihm Asyl gewährt wurde.
„Das deutsche Lieferkettengesetz macht deutlich, dass Fresenius unabhängig von seiner komplexen Struktur eine Verantwortung gegenüber seinen Arbeitnehmern in allen Teilen der Welt hat“, sagt Lisa Nathan, Direktorin für Wirtschaft und Menschenrechte bei UNI Global Union. „Das eröffnet echte Chancen, die Bedingungen für Hunderttausende von Beschäftigten zu verbessern.“
Dieses Ziel könne jedoch nur erreicht werden, wenn die Gewerkschaften mit am Tisch sitzen, um sicherzustellen, dass „die Sorgfaltspflicht des Unternehmens nicht nur eine reine Abhak-Übung ist“. Ein globales Abkommen sei der Schlüssel, um diese Beteiligung sicherzustellen. „Unsere Allianz setzt sich dafür ein, dass Fresenius
FMC und Fresenius SE weltweit die Sorgfaltspflicht einhalten“, sagt auch ihr Kollege Alan Sable. Dafür brauche es weiteren öffentlichen Druck. Auch die im Juli verabschiedete europäische Richtlinie zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten, die nun von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden muss, sei ein wichtiger Schritt.
Autorin: Uta von Schrenk lebt als freie Journalistin in Berlin.