Auftaktveranstaltung "Demokratisch ist man nicht allein" - Trägernetzwerk Politische Bildung in der Arbeitswelt
Am 23. Juni 2021 fand die digitale Auftaktveranstaltung für das Projekt „Demokratisch ist man nicht allein – Trägernetzwerk Politische Bildung in der Arbeitswelt“ statt. Mehr als 60 Teilnehmer_innen sowohl aus den gewerkschaftlichen und gewerkschaftsnahen Bildungseinrichtungen als auch ehrenamtlich Aktive aus den Betrieben und Verwaltungen beteiligten sich daran.
Der Vorsitzende des DGB Reiner Hoffmann verwies in seinem Grußwort auf die steigende Zahl von demokratiefeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen, die auch vor dem Werkstor nicht Halt machen. Um die Kollegen_innen in den Betrieben wirksam zu unterstützen, solle mit diesem Projekt die politische Bildung in der Arbeitswelt in den Mittelpunkt gerückt werden. In Zeiten schwindenden Vertrauens sei es besonders wichtig, auf alle Beschäftigten zuzugehen und nicht nur diejenigen anzusprechen, die uns per se wohlgesonnen seien. Es gehe darum, die Beschäftigten in ihrem Alltag, in ihren alltäglichen Arbeits- und Lebenswelten abzuholen. Das stelle neue Anforderungen an unsere Ansätze politischer Bildung. Reiner Hoffmann dankte Dr. Jana Trumann von der Universität Duisburg-Essen, die das Projekt wissenschaftlich begleitet und bestehenden Bildungskonzepte erhebt.
Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung Thomas Krüger betonte die zunehmende Bedeutung aufsuchender Ansätze, aber auch digitaler Formate für die politische Bildung. Auf die Menschen zuzugehen bedeute, Kontroversität zuzulassen. Der Beutelsbacher Konsens stecke den Rahmen für eine solche breite und vielschichtige Debatte, die aufgrund der Diversität der Belegschaften in den Betrieben geboten sei. Er erhoffe sich gemeinsame, von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Interessenvertretungen getragene Bildungsformate in den Betrieben.
Das Projekt „Demokratisch ist man nicht allein“ – Trägernetzwerk Politische Bildung in der Arbeitswelt erhebt bereits bestehende aufsuchende Angebote der politischen Bildung bei gewerkschaftlichen und gewerkschaftsnahen Bildungsträgern. Daraus folgend sollen weitere Formate entwickelt werden, welche die aktuellen Angebote ergänzen und vor Ort in der Arbeitswelt ausprobiert und evaluiert werden können. Das Trägernetzwerk bietet dabei den Raum für fachlichen und persönlichen Austausch von haupt- und ehrenamtlichen Referent_innen der gewerkschaftlichen und gewerkschaftsnahen Bildungsarbeit sowie Betriebe betreuender Gewerkschaftssekretär_innen.
In dem von der Geschäftsführerin des DGB Bildungswerks BUND Claudia Meyer moderierten Podiumsgespräch unterstrich Thomas Krüger die mit der Diversität der Gesellschaft zunehmenden Anforderungen an Formate der politischen Bildung. Benötigt würden Ideen, welche die Vielfalt der Interessenlagen und Lebensumstände der Teilnehmenden abbilde und ihnen vor allem wirksame Beteiligung ermögliche.
Prof. Dr. Dieter Sauer vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung München ging auf die Zusammenhänge zwischen den aktuellen Entwicklungen in der Arbeitswelt und dem Erstarken antidemokratischer und rechtspopulistischer Einstellungen ein. Gerade Organisationen mit diesem Hintergrund stellten sich hier als eine Art „Kümmerer“ dar, die vorgaukeln, die Sorgen der Beschäftigten besonders ernst zu nehmen. Prof. Dr. Christine Zeuner von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg informierte über die nachhaltige Wirkung politischer Bildung für die Arbeitnehmer_innen. Sie verdeutlichte, dass Bildungsurlaub bzw. Bildungszeit als in den meisten Bundesländern gesetzliche verankerte Freistellungsgrundlage zum Zweck gesellschaftlicher oder politischer Themen in Abgrenzung zur beruflichen Weiterbildung aktuell deutlicher seltener wahrgenommen wird. Politische Bildung in Zeiten zunehmender Arbeitsverdichtung und einer hohen Belastung der Beschäftigten durch Stress habe oftmals schlechte Ausgangsbedingungen im Betrieb.
Reiner Hoffmann bekräftigte, dass diese aktuellen Herausforderungen die Debatten sowohl in dem Projekt als auch in anderen Bereichen der gewerkschaftlichen Arbeit widerspiegeln. Die Gewerkschaften seien in vielen Fällen damit konfrontiert, bereits bestehende Rahmenbedingungen für politische Bildung – und das schließt die Voraussetzungen für die Teilnahme die Arbeitnehmer_innen ein – immer wieder neu zu erkämpfen. Vor allem die Arbeitgeber müssen stärker in die Pflicht genommen werden, um eben auch politische Bildung innerbetrieblich und betriebsnah zu ermöglichen.
Anschließend wurden in drei Arbeitsgruppen die folgenden Themen vertiefend behandelt:
Arbeitsgruppe 1: „Aufsuchende Bildungsarbeit – aktuelle Ansätze und Herausforderungen“
Input: Freia Polzin Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH - „Escape Room Demokratie“
Sonja Puchelski und Leila Robel Arbeit und Leben Hessen - „Vielfalt Gewinnt –
Diversity Perspektiven für die Arbeitswelt“
Moderation: Sabine Schwab DGB Bildungswerk BUND
Arbeitsgruppe 2: „Methoden der Demokratiestärkung für heterogene Zielgruppen“
Input: Annette Gisevius InterCultur gemeinnützige GmbH
Moderation: Nelo Locke DGB Bildungswerk BUND
Arbeitsgruppe 3: „Demokratiestärkung und Arbeit gegen Rechts im Betrieb"
Input: Marcus Drobny ver.di GPB - „Fakten gegen Populismus“
Moderation: Mark Haarfeldt DGB Bildungswerk BUND
In dem abschließenden Podiumsgespräch berichteten Anke Heinisch, freigestellte Betriebsrätin bei BASF PCN GmbH, und Jessica Knierim, stellvertretende Vertrauenskörperleiterin VW Salzgitter, von ihren Erfahrungen in den Betrieben. Beide sahen die Notwendigkeit politischer Bildung, gleichzeitig jedoch auch die Herausforderung, demokratiefördernde Bildung in den betrieblichen Alltag einzubinden. Die stellvertretende Vorsitzende des DGB, Elke Hannack, dankte allen an der politischen Bildung Beteiligten für die die bereits geleistete langjährige Arbeit in den Betrieben und Verwaltungen. Ihr erlangtes Wissen und ihre Erfahrungen gelte es zu nutzen und weiter zu entwickeln. Das Trägernetzwerk biete die Möglichkeit, die Erfolge in die Fläche zu tragen und gemeinsam an neuen Konzepten zu arbeiten.