Aktuelles und Rechtliches für Betriebsräte
AKTUELL: NEUE REGELN IN 2024
Regelungen zur Betriebsratsvergütung erfahren Anpassung
Nachdem Anfang 2023 ein BGH-Urteil (v. 10.01.2023 – 6 StR 133 /22) für Verunsicherung gesorgt hatte – das Gericht hatte die Verwirklichung des Straftatbestands der Untreue seitens der zuständigen Manager bei zu hoher Betriebsratsvergütung in Aussicht gestellt – befindet sich ein „Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ auf dem Weg zum Beschluss durch den Bundestag. Der Gesetzesentwurf sieht Änderungen in § 37 IV und § 78 BetrVG vor. Wann das Gesetz verabschiedet wird, ist noch unklar. Einen Tag nach seiner Verkündung wird es in Kraft treten.
Bemerkenswert ist, dass Arbeitgeber und Betriebsrat nach dem neuen Wortlaut des § 37 Abs. 4 BetrVG durch Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitehmer*innen regeln können, das von außen nur noch schwer angreifbar ist. Gleiches gilt für die Vergleichspersonen, die einvernehmlich und in Textform festgelegt werden.
Der neue Zusatz in § 78 BetrVG enthält eine Klarstellung, wann eine Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds nicht vorliegt. Es wird auf die erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien des Betriebsratsmitglieds und ein Ermessen abgestellt.
Die Regelungen gehen mit der bisherigen Rechtsprechung zu diesem Thema konform, dürften aber, weil sie nun direkt im Gesetz stehen werden, für mehr Rechtssicherheit sorgen.
Augen auf bei der Inflationsausgleichsprämie
Bis zum 31.12.2024 kann der Arbeitgeber seinen Beschäftigten die so genannte „Inflationsausgleichsprämie“ zahlen. Sie ist steuerfrei und kann bis zu 3000 € betragen. Betriebsräte sollten diese Möglichkeit mit im Auge haben und ihren Arbeitgeber gegebenenfalls auf diese Möglichkeit hinweisen. Entscheidet sich der Arbeitgeber, die Prämie zu zahlen, sollte der Betriebsrat – wenn keine tarifliche Regelung einschlägig ist, bei der Verteilung der Prämie gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmen können.
Mindestlohn steigt marginal
Der gesetzliche Mindestlohn ist seit dem 01.01.2024 um 41 Cent auf 12,41 € gestiegen. Der Druck durch Inflation und Verteuerung vieler Güter, der auf Arbeitnehmer*Innen im Mindestlohnsektor lastet, dürfte dadurch leider kaum verringert werden.
Auch für kleinere / mittelständische Unternehmen greift nun das Hinweisgeberschutzgesetz
Ab dem 18.12.2023 müssen nun auch kleinere Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitenden sichere Hinweisgebersysteme einführen. (Für größere Unternehmen und öffentlich-rechtliche Institutionen mit über 250 Beschäftigten gilt diese Verpflichtung bereits seit Juli 2023.) Das Hinweisgeberschutzgesetz dient dem Schutz von Personen, die Informationen über Regelverstöße in ihrem beruflichen Umfeld erlangt haben und weitergeben (§1 Abs. 1 HinSchG). Es geht um Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, soweit bei Letzteren Leib, Leben oder Gesundheit betroffen sind, aber auch um die Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 HinSchG). Wichtig für den Betriebsrat ist: Bei der Einführung eines technischen Hinweisgebersystems kommt ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG in Betracht. Je nach Ausgestaltung des Hinweisgeberschutzsystems kann auch unter bestimmten Voraussetzungen an ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu denken sein. Wichtige Vorschrift in diesem Zusammenhang ist auch der § 80 Abs. 2 BetrVG, nach der der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten ist.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz gilt jetzt auch für etwas kleinere große Unternehmen
Auch das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz gilt seit dem 01.01.2024 für mittelgroße Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten. Bisher kam es nur für sehr große Unternehmen zur Anwendung. Durch das Gesetz sollen zentrale Menschen- und Umweltrechte entlang der ganzen Wertschöpfungskette besser eingehalten werden können. Für den Betriebsrat ergeben sich daraus an zahlreichen Stellen Anknüpfungspunkte.
Krankschreibung wieder telefonisch möglich
Die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie wurde am 07.12.2023 durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) erneut geändert. Noch am selben Tag trat die Neuregelung in Kraft, dass Versicherte mit Erkrankungen ohne schwere Symptomatik sich telefonisch bei ihrem Arzt erstmalig und bis zu fünf Tage krankschreiben lassen können. Voraussetzung ist, dass eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer Videosprechstunde nicht möglich ist. Der/die Patient*in muss der jeweiligen Arztpraxis allerdings bereits bekannt sein. Für eine etwaige Folgebescheinigung muss der /die Patient*in jedoch die Praxis aufsuchen. Hat umgekehrt die Erstanamnese durch einen Praxisbesuch stattgefunden, ist eine Feststellung einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit auch per Telefon möglich. Bereits in der Coronazeit hatte man mit der Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung gute Erfahrungen gemacht.
Kinderkrankengeld - Anspruchstage werden grundsätzlich erhöht
Ursprünglich konnten Elternteile pro Kind und pro Jahr längstens 10 Arbeitstage Kinderkrankengeld beziehen (bei Alleinerziehenden 20 Arbeitstage pro Kind). In den Corona-Jahren 2022 und 2023 hatte sich dieser Anspruch pro gesetzlich versichertem Elternteil und pro Kind auf 30 Tage im Jahr (Alleinerziehende: 60 Tage pro Jahr) ausgeweitet. Mit dem 01.01.2024 sind diese Sonderregelungen nun ausgelaufen und es gilt eine neue Regelung, nach der Elternteile in den Jahren 2024 und 2025 jeweils 15 Kinderkrankengeldtage pro Kind beziehen können (Alleinerziehende: 30 Tage). Die Gesamtzahl der jährlichen Anspruchstage steigt (legt man die ursprüngliche Regelung zugrunde) auf 35 und bei Alleinerziehenden auf 70.
Neues Weiterbildungsgesetz verspricht neues Qualifizierungsgeld und Ausbildungsgarantie
Die Weiterbildungsförderung wurde reformiert. Seit dem 21.07.2023 tritt das neue Aus- und Weiterbildungsgesetz schrittweise in Kraft.
Feste Fördersätze und weniger Förderkombinationen (geregelt im SGB III) sollen den Zugang zu Weiterbildungsangeboten für Arbeitgeber und Beschäftigte erleichtern.
Darüber hinaus soll es erstmals ein spezielles Qualifizierungsgeld für Beschäftigte geben können, wenn das Unternehmen vom Strukturwandel betroffen ist. Das Qualifizierungsgeld soll einen Lohnersatz darstellen, wenn ein gewisser Anteil von Beschäftigten an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnimmt, für die sie freigestellt sind.
Ebenso soll das Weiterbildungsgesetz jungen Menschen ohne Berufsabschluss ab dem 01.08.2024 eine Ausbildungsgarantie gewährleisten. Voraussetzung ist, dass sich ein junger Mensch nach einer Berufsberatung erfolglos beworben hat und dies auch nachweisen kann. Konnte die Bundesagentur für Arbeit den jungen Menschen nicht vermitteln und gibt es in der Region zu wenig Ausbildungsplätze, ist sie also unterversorgt, soll der Anspruch auf einen außerbetrieblichen Ausbildungsplatz bestehen.
Interessant sind in diesem Zusammenhang eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) und eine Sammlung von Praxisbeispielen der Ruhr-Universität-Bochum (RUB), was der Betriebsrat in Sachen Qualifizierung erreichen kann.