Aus den Projekten: Hilfe für den Regenwald
18.12.2023 I Amazonien leidet unter illegalen Abholzungen. Die schaden nicht nur dem Klima – auch die Arbeitsbedingungen in der Holzindustrie sind teilweise ähnliche wie in der Sklaverei. Die Bau- und Holzarbeiterinternationale will mit einem solidarischen Netzwerk dagegen vorgehen.
Der Regenwald habe seine Sicht auf die Welt verändert, sagt Nilton Freitas. Der 62-Jährige ist Lateinamerika-Chef des globalen Gewerkschaftsverbands Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI). „Die Reichtümer Amazoniens müssen auch den Menschen zu Gute kommen, die dort leben.“ Seit Anfang des Jahres gibt es das Sindical de Solidariedade com a Amazónia, das Gewerkschaftliche Netzwerk der Solidarität mit Amazonien, das auch vom Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbunds unterstützt wird. Ziel: die illegale Abholzung bekämpfen und Arbeitsbedingungen verbessern.
Als die BHI mit der Idee für dieses Netzwerk nach Amazonien reiste, hätten sich die lokalen Gewerkschaften sehr misstrauisch gezeigt, erinnert sich Freitas. Er habe das verstehen können. Viel zu oft würden Entscheidungen getroffen, ohne die lokale Bevölkerung zu konsultieren. In der Region gebe es zahlreiche dubiose NRO und Menschen, die das große Geschäft wittern. Doch mit der Zeit habe die BHI Vertrauen gewonnen. „Wir konnten den Gewerkschaften zu verstehen geben, dass wir keine Firmen schließen, sondern regulieren wollen.“
Aufgekommen war der Gedanke, sich zusammen zu schließen, schon vor zwei Jahren während der Regierung von Jair Bolsonaro. Der rechtsradikale Präsident ist ein enger Verbündeter des Agrarbusiness. Er polterte gegen Indigene, leugnete den Klimawandel und rief Brasilianer_innen praktisch dazu auf, sich Land in Amazonien illegal anzueignen. „Die Amtszeit Bolsonaros war ein Horror für die Region“, sagt Freitas. „Durch seine Regierung ist die ganze Holzindustrie in Verruf geraten.“ Die illegale Abholzung stieg während seiner Amtszeit auf Rekordwerte, auch weil Bolsonaro Kontrollbehörden zerschlug und linientreue Funktionär_innen auf Führungspositionen setzte.
Gewerkschaften wie die BHI betonten schon damals: Gute Arbeitsbedingungen seien die beste Strategie gegen die illegale Abholzung. Der Raubbau im Regenwald ist nämlich auch ein Produkt der Armut. Die meisten illegalen Holzfäller_innen sind perspektivlos und arbeiten nicht selten unter sklavenähnlichen Bedingungen. Dahinter stehen meist reiche Unternehmer_innen, vornehmlich aus den südlichen Bundesstaaten Santa Catarina und Rio Grande do Sul. „Bolsonaro hat ihnen die Tür geöffnet“, meint Freitas, der seit 30 Jahren gewerkschaftlich organisiert ist. Einige sollen auch mit dem organisierten Verbrechen zusammenarbeiten, das sich in der Region immer mehr breit macht.
Das neu gegründete Netzwerk kämpft nun für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen in der ganzen Produktionskette der Holzverarbeitung. Und es will verschiedene Akteur_innen zusammenbringen: Gewerkschaften, den Staat und die Unternehmen. Laut Freitas gebe es in Amazonien viele Firmen, die genau darauf achteten, kein Holz von illegal gerodeten Flächen zu beziehen. Auch im Ausland gebe es Interesse, den Einschlag zu reduzieren – auch aus Klimaschutzgründen. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil besuchten im Juni das Holzverarbeitungsunternehmen Ebata im Bundesstaat Pará.
Die größte Herausforderung für die Zusammenarbeit im Netzwerk sind die großen Entfernungen. Eine Reisezeit von drei oder vier Tagen sind in Amazonien keine Seltenheit. Das kostet nicht nur viel Zeit, sondern auch Geld. Bisher seien mit Brasilien, Venezuela und Suriname zudem nur drei Länder über Gewerkschaften in dem Netzwerk vertreten. Es gibt aber bereits Gespräche mit Gewerkschaftsverbänden aus weiteren Amazonas-Staaten wie Kolumbien, Peru und Bolivien.
Hoffnung macht Freitas die Arbeit der neuen Regierung. Seit Januar ist der Sozialdemokrat Luiz „Lula“ Inácio da Silva Präsident von Brasilien. Der ehemalige Gewerkschaftsführer versprach eine radikale Wende der Umweltpolitik und rüstete als eine seiner ersten Taten die Umwelt- und Indigenenbehörde wieder auf. Umweltschutzgruppen und Indigenenvertreter_innen geht das zwar noch nicht weit genug. Aber es ist unbestritten, dass es wieder mehr staatliche Kontrollen gibt. Und das ist eine klare Ansage: Wer Bäume fällt oder Flüsse verschmutzt, bekommt es mit dem Gesetz zu tun.
Das scheint Wirkung zu zeigen. In den ersten sechs Monaten unter Lula ist die Abholzung in Amazonien um spektakuläre 42,5 Prozent zurückgegangen. Außerdem gibt es wieder ein Arbeitsministerium und damit wieder mehr Einsätze gegen Arbeitsrechtsverstöße.
Für Freitas ist es gut, dass mittlerweile das Thema Waldschutz und Indigenenrechte ganz oben auf der politischen Agenda steht. „Leider wird viel zu wenig über Arbeitsbedingungen gesprochen.“ Die müssen sich verbessern und die Region müsse die Möglichkeit bekommen, sich wirtschaftlich zu entwickeln. „Sonst hungern die Menschen und laufen den Verbrechern hinterher.“
Autor: Niklas Franzen lebt in Berlin und bereist regelmäßig Brasilien.