
Arm trotz Arbeit
Ein Drittel der vollzeitbeschäftigten Ausländer_innen bekommen nur einen Niedriglohn. Dieser Anteil ist doppelt so hoch wie bei deutschen Staatsbürger_innen. Das zeigen neue Daten der Bundesagentur für Arbeit. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) hat die Gründe untersucht: Eine „fehleranfällige behördlich-institutionelle Praxis“ und eingeschränkte Möglichkeiten des Zugangs zu Arbeitsgerichten und Interessenvertretungen erschweren den Zugang zu verbrieften Rechten, so der SVR. Außerdem umgehen Arbeitgebende geltendes Recht und Schutzbestimmungen für Arbeitskräfte zum Teil systematisch.
Als Niedriglohnschwelle gilt zwei Drittel des so genannten Medianentgelts. 2022 lag dieser Wert bei 12,76 Euro brutto je Stunde. Etwa 15 % der abhängig Beschäftigten in Deutschland arbeiteten im Oktober 2022 im Niedriglohnsektor – aber 32,2 % der Ausländer_innen. Dem SVR zufolge sind die Vermittlung von Arbeitskräften über Personalagenturen in den deutschen Niedriglohnsektor und die Beschäftigung „am Ende einer Subunternehmerkette“ wichtige Faktoren dafür. „Ich war jetzt auf einer Baustelle bei einem berühmten Bahnhofsneubau irgendwo in Südwestdeutschland“, zitiert die Studie einen Vertreter eines Arbeitgeberverbandes: „Da haben wir da gefragt: ‚Wie viele gewerbliche Arbeitnehmer sind denn von Ihnen auf der Baustelle?‘ Und die Antwort lautete: ‚Kein einziger. Das machen wir alles über Subunternehmen.‘“ Die Verwundbarkeit solcher Beschäftigungsverhältnisse werde „zum Teil gezielt ausgenutzt “, so der SVR. Die Folge seien geringe Entlohnung, die nicht zur Existenzsicherung reicht, instabile Beschäftigungsverhältnisse und eine hohe Armutsgefährdung trotz Erwerbstätigkeit. Die Arbeitskräfte fänden sich häufig in einem „Teufelskreis von prekärer Beschäftigung, Leistungsausschlüssen und prekärer Teilhabe“. Der Niedriglohnbereich sei „oftmals eher eine Prekaritätsfalle als ein Sprungbrett“. Der DGB fordert deshalb unter anderem, dass Arbeitgebende Werkverträge nicht mehr missbräuchlich nutzen können dürfen und dass Einwandernde mehr Sicherheit bei ihrem Recht bekommen, in Deutschland zu bleiben – auch dann, wenn es zu Konflikten mit dem Arbeitgeber kommt.
Entnommen aus Forum Migration September 2023