
Deutschland wirbt ab
Wie angekündigt verlängerte die Ampel im Juni die so genannte Westbalkan-Regelung: Künftig müssen Zuwanderungswillige keine formale Qualifikation mehr nachweisen. Die Unternehmen können selbst entscheiden, ob Qualifikation oder Berufserfahrung von Bewerber_innen ausreichen. Statt bisher 25.000 können nun jährlich 50.000 Arbeitskräfte auf Grundlage der Regelung nach Deutschland kommen. Doch weil auch dies nicht reicht, um den Arbeitskräftemangel zu bekämpfen, setzten Politik und Wirtschaft verstärkt auf die aktive Abwerbung von Fachkräften im Ausland.
Im Juni flog Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nach Brasilien, um mit der dortigen Regierung eine Absichtserklärung für „faire Einwanderung“ zu unterzeichnen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hält auf dieser Grundlage die Anwerbung von bis zu 700 Pflegekräften pro Jahr für möglich. Ende Juli flog Heil nach Indien, um IT-Spezialist_innen anzuwerben. Kurz davor hatte der NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die ersten zugewanderten Elektrofachkräfte des Pilotprojekts „Fachkräfte für NRW: Elektronikerinnen und Elektroniker aus Jordanien und Ägypten“ im Bildungszentrum der Handwerkskammer Münster begrüßt. Nachdem die Abwerbung nach Deutschland sich lange in sehr überschaubaren Größenordnungen bewegte, kommen nun immer mehr Qualifizierte im Rahmen solcher Programme ins Land. Bei einem Austausch mit ausländischen Pflegekräften an der Berliner Charité bekräftigten Heil und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Notwendigkeit der Anwerbung im Ausland. Schon jetzt gebe es einen großen Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen werde, sagte Heil laut der DPA. „Wenn wir uns jetzt nicht kümmern, wird das Problem riesig groß.“ Dann könnten in Deutschland bis 2035 rund 7 Millionen Arbeits- und Fachkräfte fehlen. Sowohl im Inland als auch im Ausland müsse daher neues Personal gewonnen werden, ergänzte Habeck. Als Voraussetzung für eine „faire Einwanderung“ gilt dabei unter anderem, dass die Regierungen der Herkunftsländer zustimmen, um dort keine Versorgungslücken entstehen zu lassen. Der DGB lehnt es indes ab, durch „pauschal intensivierte Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland den Druck von den Unternehmen zu nehmen“, wie es in einer Stellungnahme heißt.
Position des DGB zur Fachkräftestrategie
Entnommen aus Forum Migration September 2023