
Unterstützung für mobile Beschäftigte – die Rolle der Gewerkschaften

Kommentar von Jan Cremers, Tilburg Law School
Im Gutachten Supporting mobile migrant labour – the role of the trade union movement (Unterstützung für mobile Arbeitsmigranten – die Rolle der Gewerkschafts-bewegung) diskutiere ich die Möglichkeiten für Gewerkschaften, angenommene oder zugeschriebene Aufgaben im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit und grenzüber-schreitender Arbeitsmigration in der EU erfolgreich zu bewältigen. Die Studie soll einen Beitrag leisten zu der Debatte darüber, wie gewerkschaftliche Aktivitäten die kollektive Verteidigung der Arbeitnehmerinteressen von mobilen Beschäftigten stützen können, mit dem Ziel einer fairen, auf Rechten basierenden Arbeitsmobilität. Aufgrund der für das Gutachten skizzierten Beispiele lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:
Strukturiertes und kontinuierliches Handeln ist notwendig
Freizügigkeit von Arbeitnehmenden in Form von Mobilität innerhalb der EU oder Entsendung von Arbeitnehmern ist ein strukturelles Phänomen. Sie basiert auf einer der Grundfreiheiten, wie sie mit der Einführung des Binnenmarktes geplant war, und sie hat eine Mobilität auf unseren Arbeitsmärkten initiiert, die (abgesehen von der Vertreibung durch Kriege) ihresgleichen sucht. Einzelpersonen ziehen vielleicht vorübergehend um, aber mobile Arbeitskräfte sind in den letzten Jahrzehnten zu einem bedeutenden Teil der nationalen Berufsbevölkerung in allen EU-Mitgliedstaaten geworden. Ihre Tätigkeit ist dauerhaft, auch wenn die Beschäftigten selbst hoch mobil sind. Um auf diese Situation zu reagieren, ist ein struktureller Ansatz erforderlich. Die wenigen Beispiele, in denen strukturelle Strategien umgesetzt werden, zeigen einen deutlichen Mehrwert. Tätigkeiten in bestimmten Sektoren (z.B. auf Baustellen, in der Saisonarbeit, im Transport) erfordern zudem maßgeschneiderte und angepasste Arbeitsmethoden für die Unterstützung mobiler Beschäftigter; doch deren Kapazität kann nur durch kontinuierliches Handeln aufgebaut werden.
Partnerschaft und Verbindung mit einem brei-ten Netzwerk von Unterstützung
In der Praxis ist es oft schwierig, Unterstützungsansätze im Bereich Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen und den Wohn- oder Lebensbedingungen der mobilen Arbeitskräfte voneinander zu trennen, denn in der Praxis überschneiden sich diese Bereiche. Die Situation mobiler Arbeitsmigrant_innen, die unter der Flagge der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder durch die Entsendung von Arbeitnehmenden angeworben werden, ist ganz anders als die eines heimischen Arbeitnehmenden, der sich entscheidet, für eine Zeitarbeitsfirma zu arbeiten. Die immer wieder auftretenden Missbrauchsfälle verdeutlichen: entscheidend sind die Arbeits-, Wohn- und Lebensbedingungen als Gesamtes. Um mobile Beschäftigte zu unterstützen, müssen Gewerkschaften daher oft in Partnerschaften mit NROs, nationalen zuständigen Behörden und Rechtsberatung treten. Aber auch Kontakte zur „Peer“-Gruppe und Selbstorganisationen sind relevant, um die mobilen Beschäftigten unterstützen zu können.
Stabile Finanzierung und Möglichkeiten für „flexible“ Reaktionen
Strukturelles Handeln setzt die notwendigen personellen und sonstigen Ressourcen voraus. Das Vorhandensein eines dauerhaften Segments „vorübergehender“ mobiler Arbeitsmigrant_innen auf dem Arbeitsmarkt erfordert daher auch eine dauerhafte Finanzierung mit strukturellen Mitteln, die die Einrichtung stabiler Unterstützungseinrichtungen gewährleisten, die für ein kontinuierliches Handeln erforderlich sind. Diese Stabilität schafft auch die Möglichkeit, ad-hoc Mittel für flexible Reaktionen zu beantragen, um etwa mit thematischen Kampagnen zu reagieren. Befristete Initiativen auf Projektbasis haben dagegen nicht die Kapazität, angemessen zu reagieren. Dies ist nur mit einem Minimum an bestehender Arbeitsorganisation machbar.
Ein transnationaler Ansatz
In den meisten untersuchten Beispielen zeigte sich die Relevanz gemeinsamer transnationaler Aktivitäten. Diese gemeinsamen Aktionen schaffen gegenseitiges Vertrauen, ein größeres Bewusstsein für die Schwierigkeiten, mit denen die Partner konfrontiert sind, und einen besseren Überblick über die Auswirkungen sowohl für das Entsende- als auch für das Aufnahmeland. Zudem fördern sie ein besseres Verständnis der Unterschiede in den Traditionen und Kulturen der Arbeitsbeziehungen. Die transnationale Zusammenarbeit bei der Förderung und Verteidigung der auf Rechten basierenden Arbeitskräftemobilität ist der Weg, um den Mehrwert der Freizügigkeit zu demonstrieren.
Jan Cremers von der niederländischen Tilburg Law School ist Autor des im März erschienenen Gutachtens „Supporting mobile migrant labour – the role of the trade union movement“ (Unterstützung für mobile Arbeitsmigranten – die Rolle der Gewerkschaftsbewegung) der Hans Böckler Stiftung.
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Entnommen aus Forum Migration Mai 2023