
Zuwanderung vereinfacht
1,98 Millionen Stellen waren Ende 2022 unbe-setzt – mehr als je zuvor. Mit einer Überarbeitung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes will die Ampel deshalb Arbeitskräfte aus dem Ausland anlocken. Der DGB sprach von einem „guten Schritt in die richtige Richtung“ – übt aber gleichzeitig Kritik.
Künftig gilt: Wer einen Abschluss hat, kann jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Auch wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Ausland erworbenen und dort staatlich anerkannten Berufsabschluss hat, kann künftig als Fachkraft kommen. Der Abschluss muss nach Angaben des Arbeitsministeriums nicht mehr zuvor in Deutschland anerkannt werden. Damit das Anerkennungsverfahren den Arbeitsbeginn nicht verzögert, wird die Möglichkeit einer „Anerkennungspartnerschaft“ zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern geschaffen. Menschen ohne konkretes Arbeitsplatzangebot aber mit „Potenzial für den Arbeitsmarkt“ können dem Entwurf zufolge bald über die neue „Chancenkarte“ nach Deutschland kommen. Die Karte basiert auf einem Punktesystem, zu den Kriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und Potenzial der Lebens- oder Ehepartner_innen.
Per Verordnung will das Kabinett weitere Hürden für die Einwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten senken. So soll die so genannte Westbalkan-Regelung entfristet und das Kontingent verdoppelt werden. Damit könnten künftig jährlich bis zu 50.000 Staatsangehörige aus den sechs Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien nach Deutschland zuwandern. Sie können für jede Beschäftigung nach Deutschland einreisen ohne berufliche Qualifikationen nachweisen zu müssen.
„Fortschritt braucht Fachkräfte“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Bald gingen die so genannten Babyboomer in Rente und danach kämen geburtenschwächere Jahrgänge, weshalb derzeit über alle Branchen hinweg nach Fach- und Arbeitskräften gesucht werde.
Der DGB begrüßte in einer Stellungnahme „ausdrücklich viele Maßnahmen“ die im Gesetzentwurf enthalten sind. Maßnahmen, die auf eine verstärkte Einwanderung in Helfertätigkeiten abzielen würden hingegen „kritisch bewertet“. Die Ampel fokussiere sich darauf, den Arbeitskräftebedarf zu sichern, gesellschaftspolitische Dimensionen aber blieben weitestgehend ausgeblendet, heißt es in der Stellungnahmen. „Fachkräf-teeinwanderung darf sich der DGB keinesfalls nur am Arbeitgeberinteresse orientieren.“ Die Ampel habe unter anderem keine verbindlichen Standards für eine faire Vermittlung oder eine Regulierung für privater Arbeitsvermittler vorgesehen. Der DGB dränge darauf, die Trennung zwischen einem humanitären Aufenthalt und dem Aufenthalt aufgrund einer Beschäftigung aufzugeben und insbesondere einen Statuswechsel zuzulassen. „So sollte dringend die Möglichkeit des Wechsels aus einem befristeten Aufenthalt in einen dauerhaften Aufenthaltsstatus ermöglicht werden. Zudem gebe es „statistisch nachweisbar keinen allgemeinen Arbeitskräftemangel“. Vulnerable Gruppen von Erwerbsmigrant_innen dürften nicht ausgenutzt werden, um Arbeitgeber vom Druck zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Arbeitsentgelten zu entlasten.
Entnommen aus Forum Migration Mai 2023