Südafrika: Geld gegen Kohle
17.12.2021 I Milliardenhilfen aus Industriestaaten sollen Südafrikas Kohleausstieg beschleunigen. Für die Klimaziele ist der notwendig. Aber ist er auch fair? Gewerkschaften sind sich nicht einig.
Südafrika erzeugt über 80 Prozent des Stroms mit Kohle und hat die CO2-intensivste Wirtschaft aller G20-Staaten. Für den Klimaschutz ist es dringend nötig, dass Südafrika seine Kohlemeiler schneller als geplant abschaltet. Doch das Land ist immer noch arm. Deutschland will deshalb – so das Versprechen auf der Weltklimakonferenz in Glasgow – gemeinsam mit Großbritannien, den USA, der EU und Frankreich in den nächsten drei bis fünf Jahre umgerechnet 7,5 Milliarden Euro für den Kohleausstieg »mobilisieren«.
Südafrika soll so Maßstäbe für eine gerechte Transformation setzen. Präsident Cyril Ramaphosa erklärte: »Wir freuen uns auf eine langfristige Partnerschaft, die die Bedeutung eines gerechten Übergangs anerkennt und Arbeitsplätze fördert.« Einfach wird der Weg nicht.
Eine Arbeitsgruppe soll jetzt einen Plan entwickeln, um den Ausstieg aus der Kohle zu beschleunigen und gleichzeitig die mindestens 90.000 betroffenen Arbeiter_innen – nicht zuletzt die in den Minen des Landes – zu schützen. Außerdem geht es darum, Pläne für eine Strommarktreform zu erarbeiten, die Stromerzeugung und –übertragung trennen soll. Basierend auf diesen Plänen soll dann das Geld bereitgestellt werden, das aus »multilateralen und bilateralen Zuschüssen, vergünstigten Darlehen, Garantien und privaten Investitionen« bestehen soll.
Dass Südafrika Geld für den Kohleausstieg braucht, liegt auch an der Finanzlage des nationalen Stromkonzerns Eskom. Dieser hat während der Amtszeit von Ramaphosas Vorgänger Jakob Zuma auch durch Korruption einen riesigen Schuldenberg aufgehäuft. Und er vermag den Strombedarf des Landes nicht mehr zu decken, weswegen es regelmäßig zu Stromausfällen kommt. Eskom-Chef André de Ruyter hofft daher, dass der Deal seiner Firma die Chance gibt, »in die Zukunft zu blicken«: »Die Vereinbarung ermöglicht es uns, endlich auf neue Energiequellen umzusteigen und in neue Technologien zu investieren.«
"Wir werden unter Druck gesetzt,
ja sogar gezwungen, uns von allen
Formen fossiler Brennstoffe
abzuwenden." Energieminister, Gwede Mantashe
Allerdings sind nicht alle von dem Deal begeistert. In der Regierung und in den Gewerkschaften gibt es sowohl Befürworter_innen des Abkommens als auch Gegner_innen. In der Regierung zählen Ramaphosa und Umweltministerin Barbara Creecy zu den Unterstützer_innen. Der Minister für Energie und Bodenschätze, Gwede Mantashe, warnt hingegen vor einem Kohleausstieg: »Unser Kontinent als Ganzes und die einzelnen Länder müssen die Hauptlast der großen Verschmutzer tragen. Wir werden unter Druck gesetzt, ja sogar gezwungen, uns von allen Formen fossiler Brennstoffe abzuwenden.«
Eine ähnliche Position vertritt die Gewerkschaft der Bergarbeiter, NUM, kurz für National Union of Mineworkers, deren Präsident Mantashe zuvor war. »Die Industrieländer haben über Jahre hinweg fossile Brennstoffe verwendet, um ihre Wirtschaft aufzubauen. Sie sind verantwortlich für die Klimakrise, mit der wir jetzt konfrontiert sind«, so NUM in einem Statement. Der südafrikanische Dachverband der Gewerkschaften, COSATU, steht dem Abkommen mit den Industriestaaten hingegen positiv gegenüber. »Die Vereinbarung wird Eskom helfen, in neue Energieerzeugungskapazitäten zu investieren«, sagt COSATU-Sprecher Sizwe Pamla. »Dies ist von entscheidender Bedeutung, da ein Drittel der Stromerzeugungskapazitäten von Eskom bis 2030 das Ende ihrer Lebensdauer erreichen wird und der Stromversorger nicht über ausreichende Mittel verfügt.«
Genau diese Mittel für den Umbau der Energiesysteme werden mehr Aufmerksamkeit benötigen, wenn die Welt die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad stoppen will. »Es reicht nicht aus, sich auf Investitionen in saubere Energien zu konzentrieren«, sagt Mafalda Duarte, die Chefin der Climate Investment Funds Initiative einiger Industriestaaten wie Deutschland. »Wenn wir das Tempo beim Kohleausstieg nicht beschleunigen, werden wir die Ziele des Paris Abkommens nicht erreichen.« Der erste Anstoß müsse dabei mit öffentlichem Geld gegeben werden, »und dann kommt der Markt in Schwung und privates Kapital kann es so weit skalieren, dass man sich in Richtung der Lösung des Problems bewegt - das ist der Punkt der Beschleunigung«.
Aus Sicht der südafrikanischen Chefunterhändlerin in Glasgow, Maesela Kekana, ist das Vorhaben »bahnbrechend«, weil es von Südafrika und den Geberländern »gemeinsam entwickelt« wurde. »Es gibt nichts Vergleichbares da draußen. Das hat es noch nie gegeben« sagte Kekana gegenüber Climate Home. Entscheidend werde letztlich aber die Umsetzung sein: »Wir sind entschlossen, es zum Laufen zu bringen, weil wir glauben, dass dies ein gutes Modell ist.«
Der Autor: Christian Mihatsch ist Journalist. Er lebt derzeit in Basel und beschäftigt sich sowohl mit Klima- als auch mit internationaler Politik.